Neue Ministerin Nadine Dorries : Populismus, platinblond
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Nadine Dorries, die Kulturministerin der Regierung von Boris Johnson. Bild: Reuters
Sie war im Dschungelcamp, jetzt zittert die BBC vor ihr: Boris Johnson hat Nadine Dorries zur neuen Kulturministerin gemacht. Was ist von ihr zu erwarten?
Wer, wie viele, die Befähigung der neuen britischen Kulturministerin Nadine Dorries für ihr Amt in Zweifel zieht, wird von Getreuen des Premierministers darauf hingewiesen, dass sie schließlich eine Bestsellerautorin sei. Ihre neunzehn Romane, die aus dem eigenen Leben als Liverpooler Arbeiterkind schöpfen, sind gewiss keine Booker-Preis-Kandidaten. Der Rezensent des Daily Telegraph bezeichnete ihr Debüt sogar als den schlimmsten Roman, den er seit zehn Jahren gelesen habe. Aber die 64 Jahre alte Politikerin erwirtschaftet stattliche Tantiemen, im vergangenen Jahr sogar mehr als ihr jetziges Gehalt als Ministerin mit Zuständigkeit für Datenpolitik, Kultur, Medien und Sport. Sie habe Tausende und Tausende von Büchern verkauft, sagte Verteidigungsminister Ben Wallace zu ihrer Verteidigung. Das Wunderbare an ihr sei, dass sie eine Art von Kultur produziere, die Menschen tatsächlich wollten, im Gegensatz zu einigen der verrückten Projekte, die in der Vergangenheit durch Steuergelder finanziert worden seien.
Bangen um die BBC
Das lässt die Kritiker von Nadine Dorries erschauern, zumal jene, die um die Zukunft der BBC bangen. Dorries’ Beschimpfung des Senders als „schrill, sehr links, oft heuchlerisch und häufig herablassend“ ist ebenso Musik in den Ohren konservativer Kulturkrieger wie Dorries’ Tirade gegen „linke Schneeflocken“, die „Komik zerstören, Statuen niederreißen, Bücher aus Hochschulen entfernen, die Pantomime verdummen, Christus von Weihnachten entfernen und die freie Rede unterdrücken“. Dass Johnson die Frau zur Kulturministerin befördert hat, die sich der Nation in „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ als Straußenanusesserin eingeprägt hat, macht viele fassungslos. „Die Satire ist tot“, stöhnte die Grünen-Abgeordnete Caroline Lucas.
Viele sehen die Ernennung als lustvolle Provokation, die zum Ziel habe, die Linksliberalen als elitäre Snobs zu entlarven und Nadine Dorries als Missionarin des einfachen Volkes glänzen zu lassen.
Als die Abgeordnete 2012 aus der Fraktion suspendiert wurde, weil sie sich für die Dschungelcamp-Show ohne Genehmigung absentiert hatte, begründete sie ihre Teilnahme damit, dass die Sendung sechzehn Millionen Zuschauer anziehe. Wenn so viele Menschen ‚Ich bin ein Star‘ sähen, gehörten Abgeordnete dorthin. Boris Johnson hat sie damals verteidigt. Während Dorries die beiden Privatschüler Cameron und Osborne als arrogante Pinkel abtat, gefällt ihr Johnson wegen seiner Fähigkeit, „sich mit den Anliegen der Menschen zu verbinden“. Sie teilt auch seine Bewunderung für Churchill, den die „Kritik von Feiglingen“ nicht berührt habe.
Die platinblonde Ministerin passt nach Herkunft und Haltung in die Strategie Johnsons, sich die Wähler hinter der sogenannten „roten Mauer“ ehemaliger Labour-Hochburgen gewogen zu halten. In diesen Zusammenhang fällt auch der Wunsch, die als Inbegriff der „metropolitanen Elite“ verpönte BBC in die Schranken zu weisen. Als Kulturministerin wird Nadine Dorries die Verhandlungen über die künftige Finanzierung der BBC führen.
Die Kabinettsumbildung traf mit der Bestätigung zusammen, dass der Sender nach wochenlangem Gerangel die Chefredaktion der gesamten Nachrichtenproduktion einer Kandidatin übertragen hat, die in Regierungskreisen aufgrund inzwischen getilgter Tweets als „extrem woke“ angefochten worden war. Konservative Kulturkrieger sehen die Ernennung als weiteren Beweis für die Verletzung des heiligen Gebots der Unparteilichkeit.
Sie wird Feuerwerk machen
In Dorries’ Ressort stehen mehrere politisch brisante Entscheidungen an, darunter die Berufung des Vorsitzenden der Medienaufsichtsbehörde, die sich hinauszögert, weil die Regierung einen auf ihrer Linie stehenden Kandidaten durchsetzen will. Außerdem strebt die Regierung die Privatisierung von Channel 4 an, des 1982 lancierten kommerziellen, aber öffentlich-rechtlichen Senders. Am Tag der Regierungsumbildung musste der für die Medien zuständige Staatsminister John Whittingdale für seinen bereits versetzten Chef Oliver Dowden einspringen und eine Rede vor den Spitzen der Fernsehindustrie halten. Als Whittingdale die Vorstellungen der Regierung für die Branche erläuterte, schien er nicht zu ahnen, dass auch er bald seinen Posten verlieren würde.
Der mit der Forderung nach mehr „Britishness” verbundene Einwand, dass viele britische Film- und Fernsehprodukte „keine wirkliche Identität, keinen authentischen Ortsbezug“ aufwiesen, dürfte jedoch ganz im Sinne der neuen Ministerin sein. Von ihr sei zu erwarten, dass sie mit Energie und Chuzpe allerlei Feuerwerke zünden werde, sagte ein ehemaliges Kabinettsmitglied voraus.