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Gendergerechte Sprache : Generisches Maskulinum gab es schon im Althochdeutschen

  • Aktualisiert am

Eine Variante: Das Gendersternchen breitet sich aus. Bild: dpa

Linguisten plädieren in der Debatte um Gendersternchen für mehr Sachlichkeit. Männliche Personenbezeichnungen seien im Deutschen stets generisch interpretierbar gewesen.

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          Männliche Personenbezeichnungen sind nach einer Untersuchung im Deutschen seit jeher für verschiedene biologische Geschlechter verwendet worden. Männliche Hauptwörter seien schon im Althochdeutschen „generisch“, also unabhängig vom männlichen Geschlecht gebraucht worden, teilte die Universität Frankfurt am Main am Donnerstag mit.

          Die Sprachforscher Helmut Weiß und Ewa Trutkowski untersuchten nach Angaben der Universität Personenbezeichnungen und Charakterisierungen im Althochdeutschen, ihre Studie ist in der Zeitschrift „Linguistische Berichte“ veröffentlicht worden. Begriffe wie „Freund“, „Feind“, „Gast“, „Nachbar“, „Sünder“ seien im Alt- und Mittelhochdeutschen demnach nicht geschlechtsspezifisch verwendet worden, sondern vielmehr generisch, also für alle biologischen Geschlechter.

          Der althochdeutsche Dichter Otfrid von Weißenburg schrieb im 9. Jahrhundert von Jesus und Maria als „Gästen“ der Hochzeit von Kana: „Ni ward io in wóroltzitin, / thiu zisámane gihitin, / thaz sih gésto guati / súlihhero rúamti. / Thar was Kríst guater / joh sélba ouh thiu sin múater“ („Zu keiner Zeit hat sich ein Hochzeitspaar rühmen können, so hohe Gäste zu haben (wie diese): Der heilige Christus und auch seine Mutter waren da erschienen.“). Im mittelhochdeutschen Frauenbuch von 1257 ist folgender Passus zu finden: „ir bedörft ein wîp ze friunde niht“ („ihr bedürft eines Weibes zum Freunde nicht“).

          Auch für die gegenwärtig besonders in der Kritik stehenden Personenbezeichnungen auf „-er“ belege die Untersuchung eine geschlechtsneutrale Verwendung, etwa in dem Satz: „die von alter har burgere zu Straßburg gewesen sind, es sigent frowen oder man“ (die von alters her Bürger in Straßburg gewesen sind, es seien Frauen oder Männer).

          Die Wissenschaftler haben der Universität zufolge herausgefunden, dass die generische Bedeutung von Wörtern „schon immer im Deutschen fest verankert“ gewesen sei. Dabei gebe es generische Begriffe in allen grammatischen Geschlechtern: Männliche Wörter hätten ursprünglich Belebtes bezeichnet, sächliche Wörter Unbelebtes und weibliche Wörter Kollektiva. Zwar bestehe eine Beziehung zwischen dem grammatischen und dem biologischen Geschlecht, schrieben die Forscher, allerdings nur in einer Richtung: „Sexus kann sich im Genus bemerkbar machen, der Umkehrschluss ist jedoch nicht zulässig.“ Vom grammatischen Geschlecht könne man nicht auf das biologische schließen.

          Weiß und Trutkowski hoffen, dass die Studie zur Versachlichung der Debatte beitrage. Weiß ist überzeugt, dass sich die „gendergerechte“ Sprache allenfalls in Teilen der Sprachgemeinschaft durchsetzen werde.

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