Die Exception sexuelle ist zu Ende
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Sie war eine der Auslöserinnen der französischen MeToo-Debatte: Hélène Devynck Bild: Getty
Frankreich sieht sich nach fünf Jahren MeToo-Bewegung in einem ganzen Strudel der Skandale. Von den anfangs noch lautstarken Verteidigungen der amourösen Tradition des Landes ist nichts mehr zu hören.
Das fünfjährige Jubiläum von MeToo war in Frankreichs Medien währed der letzten Tage ein großes Thema: Weit mehr als in Deutschland ist hierzulande ein Bereich des öffentlichen Lebens nach dem anderen erschüttert worden, und zwar nicht tröpfchenweise, sondern von einer ganzen Kaskade an Enthüllungen. Mitunter ist der trügerische Eindruck entstanden, Frankreich hätte sich beim Bewusstwerden Zeit gelassen: Tatsächlich ging es unauffällig los. Mittlerweile jedoch benennen im wöchentlichen Rhythmus Frauen neue Belästiger, Vergewaltiger oder Schläger, die sich in allen Sparten und mit jeder denkbaren politischen oder moralischen Einstellung finden. Schon die schiere Masse an Fällen bestimmt die Geschlechterverhältnisse völlig neu.
In der Politik reißen die Skandale nicht ab, und ein Rückzug reiht sich an den anderen. Zuletzt haben ausgerechnet die Grünen und die linkspopulistische Bewegung France insoumise mit Julien Bayou und Adrien Quatennens ihre jeweils wichtigsten männlichen Nachwuchstalente verloren, weniger wegen Belästigung, mehr wegen Gewalt. Dennoch: Beide Parteien verstehen sich als progressiv in Geschlechterfragen und haben nun schmerzhafte Weckrufe erhalten. Sie stehen jedoch beileibe nicht allein, Renaissance oder Les Républicains sind genauso betroffen (F.A.Z. vom 11. Juli). Die einzige Partei, die von einschlägigen Enthüllungen bisher halbwegs verschont blieb, ist Marine Le Pens Rassemblement national, das feministische Thesen vor allem dann vertritt, wenn man sie gegen den Islam nutzen kann. Keiner mag aber so recht glauben, dass dort weniger Fälle vorliegen. Es handelt sich wohl eher um eine Partei, die nichts an die Öffentlichkeit dringen lässt.
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