https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/fragwuerdige-documenta-beraterin-schreiben-in-hizbullah-naehe-18179172.html

Dubiose Documenta-Beraterin : Schreiben in Hizbullah-Nähe

  • -Aktualisiert am

Documenta-Mitarbeiter bauen das umstrittene Großbanner „People's Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf dem Friedrichsplatz ab. Bild: dpa

Kurz vor ihrem Rücktritt hatte Sabine Schormann die Publizistin Emily Dische-Becker als Antisemitismus-Beraterin der Documenta einsetzen wollen. Doch deren Vergangenheit spricht nicht für Neutralität.

          3 Min.

          In den vergangenen Tagen fiel bei den Diskussionen um die antisemitischen Kunstwerke auf der Documenta und die Frage, was die Leitung der Kunstausstellung getan hatte (oder eben nicht), um diese zu verhindern, ein neuer Name: Emily Dische-Becker. Die Journalistin und Kuratorin habe als Antisemitismus-Beraterin ein Gremium koordiniert, und zwar auf Empfehlung der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, hatte die Generaldirektorin der Documenta, deren Vertrag inzwischen aufgelöst wurde, in der vergangenen Woche erklärt. Roth dementierte prompt und ließ verlauten, der Personalvorschlag sei „eine Entscheidung der Documenta-Leitung“ gewesen. Auch Emily Dische-Becker wollte von einem Gremium nichts wissen und schrieb ihrerseits von einer „irreführenden Darstellung“. Doch wie auch immer es sich tatsächlich zugetragen hat – Emily Dische-Becker mit dem Thema Anti­semitismus zu befassen, wäre so oder so eine zweifelhafte Entscheidung gewesen.

          Lena Bopp
          Redakteurin im Feuilleton.

          Und zwar nicht nur, weil diese, wie berichtet wurde, dem BDS nahestehen soll. Oder weil sie mit dem Vorwurf konfrontiert ist, während eines Online-Seminars einige Documenta-Guides mit fragwürdigen Ratschlägen auf den Um­gang mit Vorwürfen des Antisemitismus vorzubereiten (der „Süddeutschen Zeitung“ war in der vergangenen Woche ein Video dieses Seminars zugespielt worden). Sondern auch, weil Emily Dische-Becker, die in Beirut gelebt hat, für die libanesische Zeitung „Al Akh­bar“ tätig war. „Al Akhbar“ gilt im Libanon, wo Zeitungen bis auf ganz wenige Ausnahmen Sprachrohre politischer Kräfte sind, als der Schiitenorganisation Hizbullah nahestehend. Und zu deren ideologischem Markenkern gehört be­kanntermaßen der Hass auf Israel, die Kader des Hizbullah ergehen sich regelmäßig in Vernichtungsphantasien.

          In einem feindlichen Land

          Erst vor kurzem führte die Zeitung auch eine Kampagne gegen Deutschland. Chefredakteur Ibrahim al-Amin hatte im Februar einen Leitartikel mit dem Titel „Lasst uns die Deutschen aus dem Libanon vertreiben“ verfasst. Der Anlass war sein Unmut darüber, dass die Deutsche Welle einige Trennungsverfahren gegen Mitglieder der arabischen Redaktion wegen antisemitischer Äußerungen eingeleitet hatte. Die deutsche Regierung und ihre Vertreter im Libanon, zu denen der Chefredakteur auch die politischen Stiftungen zählte, hätten „ihre Feindschaft gegenüber denjenigen erklärt, die die israelische Besatzung ablehnen“. Der Text schloss mit den Worten: „Deutsche im Libanon, benehmt euch von nun an, ihr lebt in einem feindlichen Land.“

          Kurioserweise sind Texte von Emily Dische-Becker für „Al Akhbar“ im Internet kaum zu finden. Die einzige Ausnahme stammt aus dem Jahr 2006 und befasst sich mit Grabenkämpfen um die seinerzeit hochpolitischen UN-Ermittlungen zum tödlichen Bombenanschlag auf den früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri, der, wie die Ermittlungen ergaben, offenbar von einem Mordkommando der Hizbullah ausgeführt wurde. Damals, im Jahr 2006, war „Al Akhbar“ gerade erst gegründet worden. Sie wurde zum Lager einer arabischen Linken gerechnet, die Antikapitalismus und Antiimperialismus mit Israelfeindlichkeit vermengte – und in Teilen offen dafür war, eine Front mit islamistischen Organisationen wie der Hizbullah gegen Amerikaner und Israelis zu bilden.

          Unter dem Chefredakteur Ibrahim al-Amin nährte sich die Zeitung immer stärker der Hizbullah an, wie alteingesessene Journalisten in Beirut berichten. Dische-Becker wurde bis März 2013 als „Editor at large“ des englischsprachigen Online-Portals der Zeitung geführt.* So steht es auch auf einer archivierten Website des Portals, das 2015 geschlossen wurde, was Dische-Becker damals in einem Tweet bedauerte. Das arabische Mutterblatt aber existiert weiter – und ist ganz sicher keines, mit dessen Name in Deutschland eine von wem auch immer beauftragte „Antisemitismus-Beraterin“ in Verbindung gebracht werden sollte.

          Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Textes hieß es, dass „al-Amin schon einige Jahre im Amt (war), als Dische-Becker 2015 als 'Editor at large' des englischsprachigen Online-Portals der Zeitung fungierte“. Richtig ist, al-Amin schon länger in leitender Funktion für Al-Akhbar tätig war, bevor er offiziell als Chefredakteur berufen wurde. Richtig ist ferner, dass Dische-Becker, obwohl sie noch im März 2013 als „Editor at large“ des englisch-sprachigen Online-Portals der Zeitung geführt wurde, Ende 2012 jede Mitarbeit beendet hat.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Manuela Schwesig beantwortet bei einer Pressekonferenz die Fragen von Journalisten.

          Mecklenburg-Vorpommern : Im Dickicht der Klimastiftung

          Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns war mit Russland aufs Engste verbunden und baute die Nord-Stream-2-Pipeline mithilfe einer dubiosen Stiftung fertig. Die bekommt das Land nun nicht mehr los.
          Zählen wir mal nach. Gehöre ich schon zur ökonomischen Elite?

          Klassenunterschiede : Eine Frage des Vermögens

          Das Vermögen vieler Reicher entstammt selten eigenen beruflichen Tätigkeiten – sie haben es vielmehr geerbt. Was bedeutet das für unser gesellschaftliches Zusammenleben? Ein neues Klassenmodell sucht Antworten.
          Bekanntes Gesicht: Das Design des ID 2 erinnert bewusst an Verbrennermodelle

          Billige Elektroautos : Dem Volk aufs Maul geschaut

          Der neue Chef der Marke Volkswagen, Thomas Schäfer, dreht an der Preisschraube, und zwar in Richtung Auto für alle. Der Kompaktwagen ID 2 soll Ende 2025 für weniger als 25.000 Euro in den Handel kommen.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.