Warum Völkerhass niemals nützlich sein kann
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Russische Soldaten marschieren bei der Militärparade zum „Tag des Sieges“ im Mai 2022 durch Moskau. Bild: dpa
Nicht erst seit dem Überfall auf die Ukraine, aber seitdem noch vehementer, werden die Russen als Quelle allen Übels angesehen. Was bedeutet das für die Möglichkeit, den Krieg zu beenden? Ein Gastbeitrag.
Vor drei Jahren veröffentlichte ich einen Roman, dem die deutsche und internationale Presse, soviel Unbescheidenheit sei erlaubt, bescheinigt hat, dass er den stalinistischen Terror auf eindrückliche Weise erlebbar mache. Die erste Übersetzung von „Metropol“ kam in Russland heraus – was nicht heißen soll, dass diese Art von Literatur in Russland besonders beliebt wäre. Sogar in Vietnam erschien das Buch. Und natürlich in mehreren westeuropäischen Ländern. Jedoch in keinem osteuropäischen Land, in keiner ehemaligen Sowjetrepublik, obgleich ich eigentlich gedacht hatte, dass der Stalinismus dort Thema wäre. Mein Roman spielt zur Zeit der großen Terrors. Eine der Hauptfiguren ist Wassili Wassiljewitsch Ulrich, Vorsitzender Richter der Schauprozesse, der tatsächlich innerhalb von drei Jahren 31.456 Todesurteile unterschrieben hat. Allerdings war er, wie sein Name verrät, Lette. Nicht Russe.
Bevor ich fortfahre, fühle ich mich zu einem Bekenntnis verpflichtet: Ich bin Halbrusse. Nicht freiwillig, versteht sich. Sondern weil mein Vater 1933 aus Hitlerdeutschland in die Sowjetunion floh, wo er sich nach dem Überfall Deutschlands plötzlich im Ural, in der sogenannten Arbeitsarmee wiederfand; faktisch unter GULag-Bedingungen überlebte er mit knapper Not, heiratete in der anschließenden Verbannung eine Russin. Ich kam mit zwei Jahren nach Deutschland. Ich hatte nie einen russischen Pass. Vermutlich hätte ich das Recht zu behaupten, dass ich Deutscher bin. Trotzdem habe ich, wenn ich mich hier zu Wort melde, das Gefühl, ich dürfe die „Schande“ meiner Geburt nicht unterschlagen.
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