„Nie wieder Realismus!“
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Es geht nicht um einen Bund von Nationalstaaten, es geht um eine Republik: Der Schriftsteller Robert Menasse Bild: Frank Röth
Unser Kontinent muss Ernst machen mit seiner eigenen Idee: Der ausgezeichnete österreichische Schriftsteller Robert Menasse hält ein Plädoyer über die Vorzüge eines vielfältigen Europas der Regionen.
In Ihrem Buch „Der europäische Landbote – Die Wut der Bürger und der Friede Europas“ (2012) plädieren Sie für ein Europa der Regionen. Ist das Wort sechs Jahre später nicht arg gerupft und mit Blick auf die Nationalismen in Ungarn oder Polen unrealistisch?

Europa-Korrespondent des Feuilletons in Berlin.
Was ich arg gerupft finde, sind die Begriffe „realistisch“ und „pragmatisch“. Waren die Männer und Frauen, die nationalen Staats- und Regierungschefs, die im letzten Jahrzehnt in europapolitischer Verantwortung standen, Träumer, Utopisten, Spinner? Nein, sie waren Pragmatiker, sie machten, was sie für Realpolitik hielten. Das Ergebnis: Krisen und verunsicherte Bürgerinnen und Bürger. Die Realisten hatten sich noch am 8. November 1989 nicht vorstellen können, dass die Berliner Mauer fällt, und schon gar nicht, dass die Sowjetunion implodiert. Aber wirklich völlig irre ist, dass sie diese Lehre der Geschichte nicht angenommen haben: Es ist morgen mehr möglich, als du heute für realistisch hältst. Selbst hochgebildete Menschen, pensionierte Hofräte in Wien oder Abonnenten deutscher Intelligenzblätter verstehen die einfachste Lehre aus der Geschichte nicht: dass alles, was einen Anfang hat, irgendwann ein Ende hat. Dass die eigene Zeitgenossenschaft nicht Höhepunkt und Ende der Geschichte darstellt, sondern dass es danach weiter geht und mit Sicherheit anders wird. Und dass eben auch Demokratiemodelle untergehen. Deswegen stirbt die Idee der Demokratie nicht, es bildet sich nur ein neues Demokratiemodell heraus.
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