Netzfreiheit : Das neutrale Internet ist Geschichte
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Ein Anschluss unter dieser Nummer: Das EU-Parlament hat einen fürs Internet folgenreichen Beschluss gefasst. Bild: dpa
Dass die Roaming-Gebühren wegfallen, ist schön. Doch der Preis dafür ist zu hoch. Das EU-Parlament hat das Ende der Netzneutralität beschlossen. Dabei ist diese unbezahlbar.
Da hatte die EU-Kommission für die Abgeordneten des Europäischen Parlaments ein feines Paket geschnürt. Etwas ganz und gar Bürgerfreundliches findet sich darin und eine schwere Hypothek für die Freiheit des Internets. Die lästigen Roaming-Gebühren, also die Extrakosten für Handygespräche im europäischen Ausland, werden bis Sommer 2017 gestrichen, doch dafür zahlen die Bürger einen hohen Preis. Um die Netzneutralität ist es nämlich geschehen. Das Zweiklassen-Internet nimmt Gestalt an.
„Verordnung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet“, nennt sich die gesetzliche Mogelverschreibung, deren Inhalt das Gegenteil dessen ist, was der Titel aufruft. Zwar soll das Prinzip gelten, dass die Daten aller im Internet mit demselben Tempo und in demselben Maß weitergeleitet werden, für „Spezialdienste“ aber gilt das nicht, und was Spezialdienste sind, das weiß niemand so genau.
Zahlreiche Institutionen und Unternehmen haben sich in den Tagen vor der Abstimmung gegen diese Gummiparagraphen gewendet, zuletzt meldete sich der Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee zu Wort, der Pionier des World Wide Web. Er warnte vor Überholspuren im Netz, die denen eröffnet werden, die Netzbetreiber für den schnelleren Transport ihrer Daten bezahlen. Das Internet, schrieb Berners-Lee, habe sich nur zu der „machtvollen und universellen Plattform“ entwickeln können, die es heute ist, weil er es „als offenes Netzwerk aufbauen konnte, das alle Datenpakete gleichbehandelt“.
Damit ist es nun vorbei, da die neue EU-Verordnung die Netzbetreiber ermächtigt, den Datenverkehr möglichst flüssig zu regeln und Staus zu vermeiden, was nichts anders bedeutet, als dass sie die Vorfahrt regeln. Dem wirtschaftlichen Interesse großer Konzerne mag das entsprechen, den Ansprüchen an das Internet als Infrastruktur der Demokratie genügt die Verordnung nicht. Das Netz ist eben nicht nur ein Wirtschaftsgut. Die Annahme dieses Pakets hätte das Europäische Parlament besser verweigert.