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WDR-Film zu Geert Wilders : Verschwörungstheorie gefällig?

Reizfigur: Geert Wilders nach der Wahl in den Niederlanden, bei der er seine selbstgesteckten Ziele deutlich verfehlte. Bild: Hollandse Hoogte/laif

Ein Film über Geert Wilders attestiert dem Rechtspopulisten nicht nur Islamhass, sondern große Nähe zu Israel und dem Judentum. Das hat eine antisemitische Konnotation, die man nicht übersehen kann.

          3 Min.

          Dass mit diesem Film etwas nicht stimmt, merkt man schon nach wenigen Sekunden. In schneller Abfolge sehen wir Bilder von den von Islamisten verübten Terroranschlägen in Paris, Nizza, Brüssel und Berlin und dann – geht es um den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, den Vorsitzenden der Partij voor de Vrijheid. Vor ihm will der Film „Holland in Not – Wer ist Geert Wilders?“ warnen. Ausgestrahlt wurde er vom Westdeutschen Rundfunk in dessen drittem Programm in der Reihe „Die Story“ am 8. März. Also genau eine Woche vor der Wahl, bei der Wilders sein Ziel, an die Regierung zu kommen, verfehlte. In dem Film des WDR wird, mit bangem Unterton, noch erwartet, dass nicht nur die Niederlande abdriften: „Europa droht eine politische Verschiebung nach rechts.“

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Das zu beschreiben, davor zu warnen, ist das eine. Sich der Mittel zu bedienen, wie es der WDR und der niederländische Filmemacher Joost van der Valk in diesem Fall tun, ist etwas anderes. Seine Herangehensweise besteht darin, Aspekte zusammenzufügen, bei denen man sich fragt, wie sie denn zusammengehören. Nicht lange fragen muss man sich allerdings, welchen Eindruck van der Valks Film spätestens nach der Hälfte der Sendedauer vermittelt – dass Geert Wilders enge Verbindungen zu Israel hat und das Judentum schätzt. Ganz im Gegensatz zum Islam, den er seit langem als „faschistische Ideologie“ bezeichnet. Was schließen wir daraus?

          Ursprünglich sprach der Scheich

          Etwas mehr als 44 Minuten war der Film in seiner ursprünglichen Version lang. In der Fassung, die nun in der Mediathek des WDR steht, ist er auf 40.36 Minuten gekürzt worden. Die Minuten, die weggefallen sind, hatten es in sich, worauf zuerst Stefan Frank von dem Think Tank „mena-watch“ und dann Moritz Tschermak im „bildblog“ hinwies. Denn in den fraglichen Minuten kommt der amerikanische Scheich Khalid Yasin zu Wort, den als „umstritten“ zu bezeichnen eine Untertreibung wäre. Yasin ist ein Islamist reinsten Wassers, der die Scharia in Saudi-Arabien preist und gegen Christen und Juden hetzt.

          In der Original-Version des Films von Joost van der Valk kam er, wie die Kritiker, die den Film noch ganz gesehen haben, notieren, zu Wilders zu Wort: „Ich glaube, er hat die Idee des modernen Zionismus begriffen und angenommen. Er benutzt den modernen Zionismus, um die gleichen Ansichten über Muslime und über den Koran zu verbreiten, die sich die Juden in Israel nicht trauen zu sagen. Aber Herr Wilders kann ihnen einen Gefallen tun. Er kann außerhalb Israels die Palästinenser so charakterisieren, wie es die Zionisten tun, um ihre Macht zu rechtfertigen. Herr Wilders kann den Islam auf die gleiche Weise beschreiben.“

          Zu Besuch bei der „Jewish Task Force“

          Die Gleichung des Scheich Yasin zielt in die Richtung einer „jüdischen Weltverschwörung“. Dass van der Valks Reise dahin geht, bekommt man sogar in der vom WDR nachbearbeiteten Version des Films mit, der in Teilen acht Jahre alt ist und ohne aktuelle Schnittbilder 2011 bei der BBC lief, die sich damit aus denselben Gründen wie jetzt der WDR heftige Kritik einhandelte. So spricht der Filmemacher van der Valk mit einem Wilders-Bewunderer namens Robert, der Mitglied der „Jewish Task Force“ ist. Dann besucht er den radikalen Zionisten und Gründer der Task Force, Chaim Ben Pessach, in New York. Pessach, der eigentlich Victor Vancier heißt, verbüßte wegen Sprengstoffanschlägen mehr als fünf Jahre Haft. Auch er bewundert, wie er vor der Kamera sagt, Geert Wilders.

          Geert Wilders spricht am vergangenen Mittwochabend in Den Haag zu Journalisten
          Geert Wilders spricht am vergangenen Mittwochabend in Den Haag zu Journalisten : Bild: AFP

          Dass Pessach in Israel Einreiseverbot hat, erfahren wir nicht. Dafür sehen wir Wilders mit Kippa, auf Besuch in Israel oder an der Klagemauer und erfahren, dass er in seiner Jugend ein Jahr in Israel verbracht hat. Von seiner jüdischen Großmutter ist in der neuen Filmversion nicht mehr die Rede, dafür war es angeblich so in der alten. Gleich zu Beginn des Films kommt derweil immer noch eine junge, verschleierte Muslimin zu Wort, die sagt, die Situation in den Niederlanden erinnere sie an „die neunzehnhundertvierziger Jahre, als Juden den Davidstern tragen und vor einem Laden fragen mussten: Darf ich reinkommen? Darf ich in das Schwimmbad gehen? Es ist fast so wie früher.“

          Die Machart dieses Films lässt eigentlich keine Fragen offen. Doch brauchte der WDR zwei Anläufe, um zu verstehen, worum es geht. Als sich die genannten Kritiker – und nicht nur sie – zu Wort gemeldet hatten, teilte der Sender per Twitter mit, der Film „Holland in Not – Wer ist Geert Wilders“ sei „aus unserer Sicht grundsätzlich nicht zu beanstanden. In der Tat hätte der Text einordnen müssen, dass der Prediger Yasin durchaus umstritten und in der Vergangenheit auch radikaler aufgetreten ist. Darüber hinaus teilen wir die in dem zitierten Blogeintrag erhobene Kritik nicht und weisen insbesondere den Vorwurf des Antisemitismus entschieden zurück.“

          Film war nicht mehr abrufbar

          Das schrieb der WDR am vergangenen Mittwoch. Am Donnerstag war es mit der vermeintlichen Entschiedenheit schon vorbei, da war der Film nämlich nicht mehr abrufbar. Seit Freitag heißt es zur Erläuterung des inzwischen umgeschnittenen und wieder abrufbaren Films: „Verzichtet wurde auf die Äußerungen des Scheichs Yasin, dessen Auftreten und Einordnung wir für problematisch halten. Den Vorwurf, in einer Passage des Films antisemitische Ressentiments zu schüren, weisen wir aber zurück. Die Passage stellt die Fakten korrekt dar. Gleichzeitig mussten wir aufgrund einiger Rückmeldungen feststellen, dass hier teilweise ein missverständlicher Eindruck entstehen kann. Wir haben die Kritik ernstgenommen und aus diesem Grund entschieden, den Film auch an dieser Stelle zu bearbeiten.“ Ein „missverständlicher Eindruck“? Auch wer den Film in der polierten Fassung sieht, kann sich einen Reim darauf machen, was Joost van der Vaalk ausdrücken will.

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