
„Die Partei“ im Bundestag : Große Erwartungen an einen Maulwurf
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Historisch: Marco Bülow nimmt den Mitgliedsausweis von Martin Sonneborn (rechts) entgegen. Bild: dpa
Am „P-Day“ begann die Invasion des Bundestags durch die Satire-Partei Die Partei. Der einzige Mann im Landungsheer könnte die Bewegung näher an die Seriosität bringen.
Die Zeiten, in denen man noch mit einer niedrigstelligen Mitgliedsnummer locken konnte, sind lange vorbei. 52.486 Mitglieder hat die Partei „Die Partei“ inzwischen, wie ihr Vorsitzender am Dienstag vor dem Berliner Reichstag mit gespieltem, aber durch den grauen Kittel, den er wieder anhatte, hinreichend beglaubigtem Hausmeistercharme bekanntgab. Martin Sonneborn, im Regen buchstäblich abgeschirmt von einer kleinen Öffentlichkeit, hatte zum „P-Day“ geladen: zum Tag, an dem Die Partei in den Bundestag einzieht. Denn das tut die Satiregruppe nun allen Ernstes.
Der 17. November wird zumindest in die Geschichte des Parlaments als der Tag eingehen, an dem Die Partei einen Alliierten dorthin entsendet. Ob und wie die Landung eines der Ihren auf einem Abgeordnetensitz die deutsche Politik ändern wird, bleibt abzuwarten. Dass man mit diesem Coup, den der Einzug zweifellos bedeutet, das Schlimmste verhindern und Deutschland auf seine Weise retten will, zur Not, indem man das Bruttosozialprodukt halbiert, ist anzunehmen. Vor wenigen Journalisten und Schaulustigen händigte Sonneborn dem Neumitglied Marco Bülow, der vor zwei Jahren aus der SPD aus- und nun frisch in Die Partei eingetreten ist, einen Mitgliedsausweis aus, der die rührend-charmante Übergröße der Schecks hatte, mit denen in altbundesrepublikanischen Fernsehquizsendungen herumgewedelt wurde, aber, dank der quasi rückdatierten, extra für Bülow freigehaltenen Nummer 50.000 eine runde Sache war.
„Ab in den Reichstag“ lautete die Devise, die ihren träumerischen Charakter schneller abgeworfen hat als allgemein erwartet; denn seinen Sieg als Dortmunder Direktkandidat bei der vergangenen Bundestagswahl nimmt Bülow mit und ist nun eben der erste Bundestagsabgeordnete für Die Partei. Dass die SPD dem Sozial- und Klimaexperten nachtrauert, dafür gibt es kaum Anzeichen; dass er es aber genau umgekehrt macht wie deren neue Spitze, ist evident: Er ging aus Überdruss an der neuerlichen großen Koalition und ließ sich nicht mit dem Versprechen nach oben spülen, sie rasch zu beenden.
Launig ließ Sonneborn wissen: „Ich verspreche mir von diesem Maulwurf eine ganze Menge“, und schloss ausdrücklich nicht aus, von Brüssel und Straßburg, wo er als einer von mittlerweile zwei Partei-Abgeordneten im EU-Parlament sitzt, ebenfalls nach Berlin zu gehen. Eine Wertedebatte oder dergleichen Gerede wird es mit Der Partei so bald nicht geben. Aber dass man nun einen Mann im Bundestag hat, der offensichtlich überhaupt keine Ambitionen als Witzbold hegt, ist ein Schritt hin zu mehr oder überhaupt etwas Seriosität, eine List der humorbegabten Vernunft, die der Dialektiker Sonneborn womöglich von Anfang an im Auge hatte. Der SPD-Spitzenkandidat sollte sich auf etwas gefasst machen: „Mit Olaf Scholz sind wir an der Fünfprozenthürde verabredet.“ Man werde versuchen, für jeden Wahlkreis einen Kanzlerkandidaten aufzustellen, insgesamt 299, einer werde dann schon durchkommen.