Jesuitisches Armutsexperiment : Die Reise der Gottesnarren
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Ziel der einen jesuitischen Pilgergruppe: die Basilika Sacré-Cœur auf dem Montmartre in Paris Bild: Picture-Alliance
Vier Wochen Pilgern ohne Geld und ohne Handy, aber mit einem festen Ziel: Angehende Jesuiten müssen ein Armutsexperiment bestehen. Hier erzählen Novizen, wie es ihnen dabei erging.
Wir sind müde und verschwitzt. Endlich kommen wir nach einer langen Wanderetappe in einem Dorf an. Dort treffen wir eine Gruppe von Männern und Frauen vor ihrem Haus. Wir bitten sie um einen einfachen Platz zum Schlafen. Sie können uns nicht weiterhelfen, also gehen wir weiter. Ein Stück die Straße hinunter, fragen wir eine Verkäuferin in einer Bäckerei nach altem Brot, weil wir kein Geld, aber großen Hunger haben. Wie oft haben wir heute nach dem Weg gefragt - ein Smartphone haben wir auch nicht -, sind trotz bellender Hunde durch Gartentore gegangen, um die Klingel zu erreichen, haben laut an Türen geklopft, wenn es keine Klingel gab, oder haben gar durch offene Fenster gerufen, um uns bemerkbar zu machen. Wer setzt sich freiwillig solchen Situationen aus?
Es handelt sich hier um ein Experiment eigener Art. Die Versuchspersonen sind vier Novizen des Jesuitenordens, junge Männer, die sich entschieden haben, sich mit ihrem Leben in dieser Ordensgemeinschaft zu engagieren. Die Bindung an diese Gemeinschaft bedarf nicht nur reiflicher Überlegung, sondern auch menschlicher und geistlicher Formung in den zwei Jahren des Noviziates. Zu dieser Formung gehört auch, konkrete Erfahrungen mit dem Leben als Ordensmann außerhalb des Noviziatshauses zu machen.
Auf den Montmartre und nach Rom
Diese Zeiten konkreter Erprobung heißen „Experimente“, und das Experiment, um das es hier geht, ist das sogenannte Armutsexperiment. Es hat zum Ziel, die Novizen eine Erfahrung mit Entbehrungen am eigenen Leib machen zu lassen. Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, hat seine Novizen dazu auf Pilgerfahrt geschickt - ohne Geld, oft allein, mit Übernachtungen in Hospizen, die es in dieser Zeit in vielen Städten gab, in denen Pilger mit den Armen und Kranken der Städte zusammentrafen.
In unserer Noviziatsgruppe gingen zwei nach Albanien, um dort mit Missionarinnen der Nächstenliebe (der Ordensgemeinschaft, die Mutter Teresa von Kalkutta gegründet hat) zu Volksmissionen in entlegene Dörfer zu fahren und das sehr einfache und dabei doch reiche Leben der Menschen dort zu teilen. Zwei Zweiergruppen brachen von Nürnberg aus zu einer knapp vierwöchigen Pilgerreise auf. Die eine pilgerte von Rothenburg ob der Tauber nach Paris auf den Montmartre, wo Ignatius und seine Gefährten die ersten Gelübde abgelegt hatten. Die andere begab sich auf den Spuren des heiligen Franziskus durch Mittelitalien nach Rom, der Stadt, in der Ignatius und seine Gefährten ihre junge Gemeinschaft als „Gesellschaft Jesu“ weiter formten und etablierten. Von uns beiden Autoren gehörte der eine zur Pariser Pilgergruppe und der andere zur Rom-Pilgergruppe.
Ein wechselseitiges Schenken und Empfangen
Für beide Pilgergemeinschaften galt: Wir reisen ohne Geld, nehmen kein Telefon mit, bitten auf dem Weg um ein Dach über dem Kopf (Isomatte und Schlafsack hatten wir dabei), Brot und Wasser, einfaches Essen und Trinken. Wir nehmen, was man uns schenkt. Das jeweilige Pilgerziel muss nicht um jeden Preis erreicht werden. Wichtiger ist, auf dem Weg offen zu sein für das, was Gott uns zeigt. Das eventuell nötige Zugticket für die Hin- und für die Rückreise mussten wir uns allerdings nicht erbetteln, das hatten wir schon mit dabei.