Das Dilemma von Kassel
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Kunstfreiheit: ein Wandbild mit dem neuen Logo der Documenta 15 am sogenannten „ruruHaus“ in der Kasseler Innenstadt Foto Picture Alliance Bild: Picture Alliance
Die Auseinandersetzung um möglicherweise antisemitische Kunst auf der Documenta 15 kommt nicht zur Ruhe. Die internationale Großausstellung, die im Juni eröffnet, könnte zu einem Problem für die deutsche Kulturpolitik werden.
Wenn man denen glaubt, die in den vergangenen Tagen alarmierte Artikel schrieben über die Künstlerliste der Documenta 15, dann steuert Deutschland auf ein kulturpolitisches Desaster zu: Dann könnte es sein, dass bei der Eröffnung Polizisten Performances abbrechen, ganze Ausstellungsteile schließen und Künstler verhaften müssen. Wenn man aber denen glaubt, die diese Kritiker kritisieren, dann wird aufgrund schlechter Recherche und rassistischer Vorurteile ein Gespenst an die Wand gemalt, das es nicht gibt, um der Documenta zu schaden und die dortige, postkoloniale Kunst in Verruf zu bringen. Selten wurde ein Streit so unversöhnlich und scharf geführt. Es geht um die Frage, ob die Documenta 15 ein „Ort antisemitischer Agitation“ werden könnte.
So argumentieren ein Kassler „Bündnis gegen Antisemitismus“ und auch die „Zeit“: Was ist passiert? Noch nicht viel. Das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupa, das als erstes asiatisches Team die Documenta leitet, hat angekündigt, die Ausstellung von vierzehn weiteren Kollektiven aus aller Welt bespielen zu lassen, unter anderen von „Question of Funding“, das seinen Sitz in Ramallah hat. Eingeladen wurde dieses Kollektiv ursprünglich unter einem anderen Namen – dem des Khalil al Sakakini Cultural Center (KSCC). Dieses Zentrum ist nach einem arabischen Pädagogen benannt, der, wenn das stimmt, was man hierzulande über ihn erfahren kann, ein glühender Hitler-Verehrer war und für Israels Auslöschung kämpfte. Der 1981 in Syrien geborene Architekt und Autor Yazan Khalili, der das Kollektiv repräsentiert, vertrete, so der Vorwurf des Bündnisses, deutlich antisemitische Positionen. Als Beleg wird unter anderem angeführt, dass er sich als „antisemitischer Schläger“ präsentiere – was nachweislich nicht stimmt: Die Beschreibung stammt aus einem fiktionalen Text Khalilis.
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