Zukunftsforscher Ray Kurzweil : Unsterblichkeit für alle
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Ray Kurzweils nahe Vision: die Mensch-Maschine als Prototyp eines ewigen, an keine biologischen Grenzen mehr gebundenen Lebens Bild: www.kurzweilai.net
Unermüdlich arbeitet Ray Kurzweil daran, uns den Weg ins ewige Leben zu weisen. Im Jahr 2029, so prophezeit es der amerikanische Autor und Erfinder, werden das menschliche Gehirn und der Computer eine Einheit bilden.
Er ist dreiundsechzig Jahre alt und freut sich schon aufs nächste Jahrhundert und all die folgenden. Um dann voll bei Kräften zu sein, schluckt er täglich hundertfünfzig Pillen, lässt sich regelmäßig intravenös auffrischen, stählt seinen Körper im Sportstudio und nimmt nur fettarme, gemüsereiche Kost zu sich. Aber wie auch er weiß, reicht das nicht, um das ewige Leben zu erlangen. Darum ist er an der Entwicklung von Maschinen beteiligt, mit denen der Mensch verschmelzen und so unbegrenzt weiterleben kann. Das wird, wenn die entsprechenden Berechnungen aufgehen, in zwei, drei Jahrzehnten geschehen. Der Fachausdruck dafür lautet: Singularity.
Ray Kurzweil ist kein Spinner. Er hat mit siebzehn einen Computer gebaut, der Musikstücke komponiert. Mit der Erfindung von elektronischen Musikinstrumenten, von Keyboards, Synthesizern und einer Lesemaschine, die Text in Klang verwandelt, mit Computerprogrammen für Lernbehinderte und einem Hedgefonds, der sich Künstliche Intelligenz zunutze macht, ist er reich geworden. Von Bill Gates wird er nicht weniger bewundert und gepriesen als von dem ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore.
Die Grenzen des Lebens werden fallen
Wenn Kurzweil also die Unsterblichkeit als nächsten unvermeidlichen Evolutionsschritt in Aussicht stellt, dann macht sich nicht bloß Skepsis breit. Im Gegenteil, es fließt so viel Geld, dass er in Kalifornien die Singularity University gründen konnte, gemeinsam mit Peter H. Diamandis, einem Pionier des privaten Raumflugs. Sponsoren dieser Lehr- und Forschungseinrichtung sind neben der Nasa führende Unternehmen des Silicon Valley, unter ihnen Apple, LinkedIn und vor allem Google, eine Firma, die ihrerseits an der Fusion des menschlichen und technischen Gehirns arbeitet.
Kurzweil verschanzt sich nicht hinter den Mauern seines Labors. In populärwissenschaftlichen Wälzern, auf multimedial aufgepeppten Vortragsreisen und in Filmen verkündet er die frohe Botschaft der Singularität. Seine Ideen verpackte er für die Leinwand in „The Singularity Is Near“, sein Leben in „The Transcendent Man“. Und jetzt ist er im New Yorker Lincoln Center aufgetreten, und diese Missionsveranstaltung wurde live in Hunderte Kinos übertragen. Mitgebracht hatte er prominente Freunde wie Steve Wozniak, einen der Begründer von Apple, den unterhaltsamen Astrophysiker Michio Kaku und, per Video dazugeschaltet, den holistischen Mediziner, Lebensratgeber und Bestsellerautor Deepak Chopra.
Musste das Kino als Informationsplattform für eine solche Gedankenreise in die Zukunft auch ein wenig verstaubt wirken, konnten Fragen immerhin über Facebook und Twitter gestellt werden. Doch erst hatte Kurzweil das Wort allein, und wer gekommen war, um Zukunftsluft zu schnuppern, wenn nicht einen Zukunftssturm über sich ergehen zu lassen, wurde nicht enttäuscht. 2029, so die erstaunlich genaue Voraussage, werden Computer und menschliches Hirn nicht mehr zu unterscheiden sein. Nanoroboter von der Größe einer Blutzelle werden allen Krankheiten ein Ende machen. Die Grenzen des Lebens werden fallen. Woher Kurzweil das weiß?
Offenbar will er zum Popstar aufsteigen
Da kommt die historische Konstante des exponentiellen Wachstumsprozesses ins Spiel. Linear berechnet, werden dreißig aneinandergereihte Schritte dreißig ergeben. Exponentiell hingegen wird dann die Reihe 1, 2, 4, 8, 16 und so weiter bereits die Milliardengrenze überschritten haben. Bei Kurzweil gilt das nicht nur für die Informationstechnologie, sondern auch für die globale Verbreitung des Internets, für die Wirtschaft, für die gesamte Evolution des Menschen.
Es waren, kurz gesagt, seine größten Hits, die er zum Besten gab. Das Ereignis zielte auf Popularisierung ab, nicht auf die Enthüllung neuer Sensationen. Auch darin aber war es bemerkenswert, zumal sich sein Erfolg schon in der gebannten Aufmerksamkeit spiegelte, die zwei Stunden lang in dem mehr als gut gefüllten Kino am New Yorker Union Square herrschte. Offenbar hat Kurzweil vor, zum Popstar aufzusteigen, zum allgegenwärtigen Medienguru nach dem Beispiel von Chopra und Kaku (siehe auch Rezension: Michio Kakus „Physics of the Future“).