Dietrich Mateschitz : Radikale Wahrheiten
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Dietrich Mateschitz ist der Mann hinter der „gemeinnützigen Redaktions GmbH“. Er hat bisher vor allem als Sport- und Eventmäzen polarisiert. Bild: dpa
Der Milliardär Dietrich Mateschitz plant eine neue Rechercheplattform für politische Themen. Hat er ideologische oder kommerzielle Motive?
Latein war einmal das Idiom der Humanisten. Davor war es auch die Sprache des Imperium Romanum, aber in seiner letzten Ausprägung, bevor es den Professoren und schließlich den Zitatenschätzen anheimfiel, war es die Sprache der europäischen Intellektuellen. Daran könnte man nun denken, wenn man den Namen einer neuen „Organisation“ erfährt, die der österreichische Getränkehersteller Dietrich Mateschitz auf den Weg gebracht hat: Quo Vadis Veritas? Wohin gehst du, Wahrheit? Noch ist weitgehend offen, was daraus einmal werden wird, aber der Name ist schon einmal ein cleverer Schachzug, deutet er doch an, dass hier jemand mit der Wahrheit auf Du und Du steht, in einem persönlichen Vertrauensverhältnis. Man könnte es allerdings auch so sehen, dass sich hier jemand die Förmlichkeiten mit der Wahrheit erspart. Einen Goldstandard für Fakten bietet das Lateinische jedenfalls auch nicht.
Ein gewisser Unterton, der in der einen oder anderen ersten Berichterstattung über die „unabhängige, multimediale Rechercheplattform“ durchzuhören war, hat unweigerlich mit dem Mann zu tun, der hinter der „gemeinnützigen Redaktions GmbH“ und der ihr zugrundeliegenden Privatstiftung steht: Dietrich Mateschitz hat bisher vor allem als Sport- und Eventmäzen polarisiert, in Deutschland steht er hinter dem Fußballclub RB Leipzig. Als Medienunternehmer ist Mateschitz bisher vor allem durch die eine oder andere rasche Entscheidung in Zusammenhang mit seinem Sender „Servus TV“ aufgefallen, ohne dass man aber das Gefühl haben musste, dass er persönlich nach einen ideologischen Sprachrohr für seine Überzeugungen sucht. Bei Quo Vadis Veritas tauchen nun schon eher Befürchtungen auf, dass in einer zunehmend oligarchisch verfassten Medienlandschaft in Mittel- und Osteuropa nun ein weiterer Superreicher sich einfach ein eigenes Medium für die Unterscheidung von Wahrheit und Fake News schaffen könnte.
Seine Positionen sind keineswegs deutlich rechtspopulistisch
Personell ist bisher nicht viel mehr bekannt, als dass Michael Fleischhacker den Aufbau der Plattform leiten soll. Der ehemalige Chefredakteur des bürgerlich-konservativen Traditionsblatt „Die Presse“ hat seit seinem Abgang von dort im Jahr 2012 eine wechselhafte Karriere: Der Aufbau eines österreichischen Online-Ablegers der „NZZ“ war nicht erfolgreich. Fleischhacker konzentrierte sich zuletzt vor allem auf seine Tätigkeit als Moderator bei „Talk im Hangar 7“ auf Servus TV. In diesem Zusammenhang geriet er gelegentlich in die Kritik, zum Beispiel, als er einen Vertreter der rechtsradikalen Bewegung der sogenannten Identitären in seine Sendung einlud. Fleischhackers Gästepolitik bei „Talk im Hangar 7“ kann man zumindest eine Lust an der Kontroverse oder der Provokation ablesen. „Nicht nur dieses mittige Geschwafel“ möchte er in seiner Sendung haben, womit er doch sehr klar zu erkennen gibt, dass er Wahrheit vor allem unter dem Aspekt ihres Streitpotentials sieht, was ja auch schon eine Vorentscheidung ist, häufig eine kommerziell motivierte. In einem Land mit einem übermächtigen öffentlich-rechtlichen Fernsehen findet sich für abschätzige Bewertungen des Mainstreams aber auch leicht eine wohlfeile Begründung.
Die Ankündigung von Quo Vadis Veritas kommt vermutlich nicht zufällig in einem Moment, in dem Mateschitz sich kürzlich mit einem Interview in der steirischen „Kleinen Zeitung“ ausnahmsweise ausdrücklich zu politischen Fragen geäußert hat. Seine Positionen sind keineswegs deutlich rechtspopulistisch, wie man es von einem Mann erwarten könnte, der ein Korrekturbedürfnis gegenüber der Arbeit der schon etablierten Medien verspürt. An neuralgischen Punkten, vor allem in seiner Haltung gegenüber der europäischen Russlandpolitik, sind aber doch typische Aspekte einer alternativen Sicht erkennbar, wie sie derzeit vor allem in Bereichen der Nationalpopulismen geteilt werden. Bei Mateschitz verbinden sich diese angedeuteten Ideologeme mit einer Haltung, die ihn für libertäre wie für ökosoziale Aspekte gleichermaßen anschlussfähig erscheinen lässt: „Individualismus und Nonkonformismus“.
„Für detaillierte Informationen über Struktur, Themenspektrum und Aussehen dieser Plattform ist es noch zu früh“, ließ Michael Fleischhacker über Quo Vadis Veritas verlauten. Seit einigen Wochen arbeitet er mit einem kleinen Team von Leuten, die zum Teil von „Vice“ kommen, an ersten Schritten zu einer „Wiederherstellung einer soliden Faktenbasis als Grundlage für eine qualifizierte, ruhig auch kontroversielle politische und gesellschaftliche Debatte beizutragen.“ Kontrovers ist dabei vor allem der Befund, dass die Faktenbasis verloren gegangen war. Vielleicht sind aber doch vor allem die Interpretationen gemeint. Das wäre dann ein durchaus modernes Verständnis von Veritas.