Genf verbietet die Werbung
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Jean Calvin, den die Deutschen Johannes nennen, gemalt von einem unbekannten Meister Bild: AFP
Der Puritanismus hat eine große Tradition in Genf, seit der Reformator Calvin hier eine Tugenddiktatur errichtete. Jetzt verbietet die Stadt die Werbung im öffentlichen Raum.
Genf soll zur werbefreien Stadt werden: „Zéro pub“. So hat es das Parlament beschlossen. Es will Werbung, die zum Konsum verführt und der Verschwendung Vorschub leistet, verbieten. Den „privatisierten öffentlichen Raum“, den die Stadt dem Mammon ausgeliefert hat, „befreien“ und „zurückerobern“.
Es sind die Worte des sozialistischen Stadtrats Pascal Holenweger in der Lokalzeitung: „Wir reden von der Einschränkung des Einflusses der merkantilen Werbung auf die Menschen, die ihr nicht entgehen können.“
Die Bilderfeindlichkeit gehört zur Hinterlassenschaft des Reformators Johannes Calvin. Der hatte Genf lange vor der Französischen Revolution, die den König enthauptete und die Tugend mit Terror durchsetzte, zur sittenstrengen Republik gemacht. Die umfunktionierte Kathedrale, in der Calvin predigte, verströmt noch immer eine liturgische Kälte. Über die Jahrhunderte hinweg wurde das protestantische Rom zur Hauptstadt der Ökumene und Menschenrechte. Es ist der Sitz des Roten Kreuzes und der Vereinten Nationen in Europa. Biden und Putin waren gerade da. In der einstigen Hochburg der Flüchtlinge aus Glaubensgründen sind deren Peiniger, die Katholiken, inzwischen in der Mehrheit. Auch in Genf darf den Sündern vergeben werden. Seit die Prostituierte, Malerin und Schriftstellerin Grisélidis Réal vor ein paar Jahren auf dem „Cimetière des Rois“ benannten Prominentenfriedhof der Republik ihre letzte Ruhestätte fand, hielt man den Puritanismus für überwunden.
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