Calliope ist in der griechischen Mythologie die Göttin der schönen Rede. In der profanen Ausführung unserer Tage heißt sie Calliope-Mini und kommt als eine sechseckige Platine daher, auf der Halbleiter, Stecker und Dioden aufgebracht sind. Kinder können damit programmieren lernen. Ihr Start hatte etwas Phantastisches. Calliope trat vor zwei Jahren ins Licht der Öffentlichkeit, das war auf dem Digitalgipfel in Saarbrücken. Um den Mikro-Computer herum drängte sich die Prominenz aus Politik und Wirtschaft zum Gruppenbild. Bundeskanzlerin Angela Merkel war dabei sowie Sundar Pichai, Vorstandschef von Google. Am selben Abend machte die „Tagesschau“ die Republik mit Calliope bekannt. Alle Drittklässler sollten sie bekommen, wurde verkündet. Mit der Platine stehe „die vielleicht größtmögliche Umwälzung des deutschen Schulsystems“ bevor, überschlug sich die Online-Ausgabe der „Zeit“.
Zwei Digitalgipfel später fällt die Antwort auf die Frage, was den bombastischen Ankündigungen folgte, nicht leicht. Der bekannteste Frühprogrammierer des Landes, Tobias Hübner, in der Szene als „Medienistik“ bekannt, kritisiert den Hype um die kleine Göttin. Die Platine sei kein Computer, jedes Kind benötige vielmehr erst einen solchen, um sie simple Programm-Befehle ausführen zu lassen. „Die Muse der Dichtkunst hat also ganze Arbeit geleistet“, lästert Hübner. Wer Lehrer in den Trainings beobachtet, der lernt: Anfangs verstehen die Pädagogen nur Bahnhof, aber sie frickeln sich dann schnell ein. Spielerisch den Umgang mit Computern und IT lernen – das ist kein leeres Versprechen.
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