Zensur in Japan : Die Kunst, mit Kunst nicht zu provozieren
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Bei der Ausstellung „After Freedom of Expression“ im Jahr 2019 löste die Skulptur „Statue of a Girl of Peace“ der südkoreanischen Künstler Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung Entrüstung aus. Bild: Picture-Alliance
An den Grenzen der Demokratie: Die Regierung Japans geht immer vehementer gegen Künstler vor, die sich kritisch mit der Vergangenheit des Landes auseinandersetzen.
Das Bild, das man in Deutschland gern von Japan zeichnet, ist oft von stiller Bewunderung geprägt – so effizient und zukunftsgewandt, so freundlich und scharfsinnig erscheint einem diese Gesellschaft. Was man meist ausklammert, ist der vehemente Nationalismus, mit dem Premierminister Shinzo Abe das Land führt. Die meisten Zeitungen werden stark kontrolliert, insbesondere, wenn es um Japans Rolle im Zweiten Weltkrieg, den Kaiser oder die Atomkatastrophe von Fukushima geht. Doch eine neue Generation japanischer Künstler, Designer und Architekten setzt sich genau mit diesen Themen auseinander. Und stößt an die Grenzen einer Demokratie, in der nicht alles gesagt werden darf.
So gab es bei der 2019 stattgefundenen Aichi-Triennale eine Ausstellung in der Ausstellung mit dem Titel „After Freedom of Expression“. Dort wurden Arbeiten gezeigt, die bereits zensiert oder zumindest mit dem Thema Zensur in Berührung gekommen waren. Nach anonymen Drohungen und massiven Protesten wurde die Ausstellung zunächst geschlossen und erst nach einer Woche wieder geöffnet. Dann allerdings nicht frei zugänglich, sondern nur nach vorheriger Anmeldung und mit einem Lotteriesystem reglementiert. Besucher mussten schriftlich zusichern, keine Bilder in den sozialen Medien zu teilen. Indessen wurden wichtige Fördergelder aus dem Kulturministerium zurückgehalten. Besonders erzürnt war man dabei über eine Skulptur der südkoreanischen Künstler Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung mit dem Titel „Statue of a Girl of Peace“, die sich mit der Rolle der euphemistisch „Comfort Women“ genannten Koreanerinnen befasst, die während des Zweiten Weltkriegs in die Prostitution gezwungen wurden.
Später Rückzieher
Die Empörung von Aichi sollte auch eine Ausstellung in Wien im vergangenen November beeinflussen. Dort hatte der Kurator Marcello Farabegoli unter dem Titel „Japan Unlimited“ Arbeiten zusammengetragen, anhand derer man den Umgang Japans mit Zensur und Selbstzensur beschreiben wollte. Angesiedelt war das zwischen den beiden gesellschaftlichen Polen „Tatemae“ und „Honne“. Tatemae ist dabei die Maskerade der Gefühle, die den Erwartungen der Öffentlichkeit angepasst ist, während Honne als das wahre, jedoch versteckte Gefühl verstanden werden kann. Es geht darum, das Gegenüber nicht zu verletzen und den öffentlichen Frieden zu wahren.
Dass Farabegolis Ausstellung nicht nur den Umgang von Künstlerinnen und Künstlern mit kritischen Themen zeigen, sondern auch den Umgang der japanischen Behörden mit ihnen illustrieren würde, konnte er zu Beginn noch nicht ahnen. Die Ausstellung war als Teil der Feierlichkeiten zu den 150 Jahre alten diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Österreich konzipiert worden, die japanische Botschaft hatte die Ausstellung in ihr offizielles Programm aufgenommen. Doch nachdem die Lage bei der Aichi-Triennale eskalierte, hatten sich die japanischen Behörden, durch Twitter aufmerksam geworden, noch einmal ganz genau in Wien umgeschaut und befanden: „Bei der erneuten Prüfung mussten wir zur Beurteilung kommen, dass die Ausstellung ,Japan Unlimited‘ dem Zweck von Jubiläumsveranstaltungen, die freundschaftliche Beziehung zwischen Österreich und Japan zu fördern, nicht entspricht. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, für die Ausstellung die Anerkennung als offizielle Veranstaltung zurückzuziehen“ – und das ganze fünf Wochen nach der Eröffnung.