Unsere Zukunft mit „Big Data“ : Lasst euch nicht enteignen!
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Demonstration gegen Überwachung im August in Berlin Bild: dpa
Warum wir uns gegen den Überwachungskapitalismus von Big Data mit aller Macht wehren müssen – eine Kampfansage.
I. Heimat
Jeden Frühling kehrt ein Paar Seetaucher von seinen Reisen in die Nische unter unserem Fenster zurück. Für viele Monate werden wir von den Rufen der Rückkehr, des Neubeginns und der Bewahrung in den Schlaf gewiegt. Am Strand schlüpfen Meeresschildkröten und gehen ins Meer, wo sie ein oder zwei Jahrzehnte lang Tausende von Kilometern zurücklegen, bevor sie wieder an denselben Strandabschnitt zurückschwimmen und ihre Eier ablegen. Dieses Motiv des „nostos“ , der Heimkehr, ist auch die Wurzel alles Menschlichen. Wir sehnen uns nach dem Ort, von dem wir wissen, dass dort das Leben blüht. Menschen können die Form ihres Zuhauses wählen, aber es ist immer dort, wo wir verstehen und verstanden werden; wo wir lieben und geliebt werden. Heimat ist eine Stimme und eine Zuflucht – teils Freiheit, teils Trost.
Wenn wir in die digitale Zukunft blicken, gibt es eine Angst, von der alle anderen Ängste herrühren: Was für eine Heimat wird sie uns bieten? Werden wir Herren in einer Gesellschaft von Herren sein oder etwas anderes – Gäste, Flüchtlinge oder vielleicht unwissende Knechte, die von Interessen jenseits ihres Einflusses und Verständnisses unterdrückt werden? Wenn die digitale Zukunft unsere Heimat sein soll, dann sind wir es, die sie dazu machen müssen. Drei Aspekte erscheinen mir wichtig: Erstens, dass wir ganz am Anfang dieser Reise stehen. Zweitens, dass die Zukunft mit bestimmten Mitteln gestaltet wird. Wenn wir diese Mittel besser verstehen, können wir vielleicht in den Fluss steigen und seinen Lauf auf wirksamere Weise zu einem guten Zweck hinlenken. Drittens, dass Sie eine entscheidende Rolle spielen – Sie haben das Privileg der Verantwortung in dieser Zeit des Kampfes.
II. Der Anfang
Wenn es um „Big Data“ und die digitale Zukunft geht, stehen wir ganz am Anfang. Trotz der bereits hervorgebrachten Hochgeschwindigkeitsverbindungen und Datenmeere müssen unsere Gesellschaften erst noch bestimmen, wie all dies genutzt werden wird, mit welcher Absicht und wer darüber entscheidet. Die großen Technologiekonzerne wollen uns glauben machen, dass die Zukunft auf den Markt gebracht wird – und zwar nach ihren Vorstellungen und gemäß den sogenannten „objektiven Anforderungen“ an die technische Entwicklung als Antreiber wirtschaftlichen Wachstums auf einem freien Markt. Ihr Szenario stammt direkt aus dem Drehbuch des neoliberalen Theoretikers Friedrich Hayek – es ist das, was er eine autonome „erweiterte Ordnung“ nannte, die von Einzelnen nicht verstanden werden kann, der sie sich aber unterwerfen müssen.
Ich habe die Deutung vorgeschlagen, dass der iPod für das Zeitalter des Internets das ist, was der Ford Model T für das Zeitalter der Massenproduktion war. Aber was eine Epoche ausmacht, ist mehr als ihre Technologie. Zum Beispiel waren im Zeitalter der Massenproduktion Maschinen nicht alles. Erstens setzte die Massenproduktion Angestellte und Konsumenten voraus. Menschen bedeuteten etwas. Zweitens war diese Epoche von der allmählichen Entwicklung legislativer, legaler und sozialer Institutionen geprägt, die die sozial förderliche Dynamik des Kapitalismus verstärkten und seine Exzesse bändigten. Diesen Prozess nannte Karl Polanyi die „Doppelbewegung“.