Sigmar Gabriel : Unsere politischen Konsequenzen aus der Google-Debatte
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Für eine neue Wirtschaftspolitik
Zweitens: Die Wirtschaftspolitik steht vor der fundamentalen Herausforderung, die Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft auf die Höhe des digitalen Zeitalters zu bringen. Konstitutive Elemente dieser Ordnung stehen in Frage: Die Vertragsfreiheit und der freie Wettbewerb drohen zur Schimäre zu werden, wo die Ungleichheit zwischen den Wirtschaftssubjekten absurde Ausmaße annimmt, wo in neufeudaler Selbstherrlichkeit auftretende Monopolisten sich rechtsstaatlichen Regeln entziehen und notwendige Informationen verweigern. Der klassische Eigentumsbegriff bekommt Risse, wo Gratisangebote ganze auf bezahlten Gütern fußende Märkte zerstören oder die unautorisierte Kopie und Verfügbarmachung von Inhalten den Urheber enteignet. Ordnungspolitik ist also gefordert, wo nach der Finanzmarktkrise ein weiteres Mal regellose Märkte und maßlose Marktakteure großen Schaden anzurichten drohen.
Das ist kein Hemmnis, es ist die große Chance neuer wirtschaftlicher Kreativität. Im „Informationskapitalismus“, in dem Daten zum neuen Goldstandard werden, wird Datensicherheit zum Standortfaktor. Ich bin sicher, wir verfügen in Deutschland und Europa über den wissenschaftlichen Erfindergeist, über die politische und ökonomische Innovationskraft, um Selbstbestimmung, Sicherheit, würdige Arbeit zu unserem Markenzeichen in der Ära der digitalen Ökonomie zu machen. Dabei müssen wir gerade mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützen. Wir streben ein IT-Sicherheitsgesetz an, das die Unternehmen und den Staat dazu verpflichtet, bessere Schutzvorkehrungen zu treffen. Es kann neue Investitionen auslösen und den Markt für Sicherheit im Internet vergrößern.
Schließlich: Wirtschaftsministerium und Bundeskartellamt prüfen, ob ein Unternehmen wie Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, um durch die Beherrschung einer „essential facility“, einer wesentlichen Infrastruktur, Wettbewerber systematisch zu verdrängen. Eine Entflechtung, wie sie bei Strom- und Gasnetzen durchgesetzt wurde, muss dabei ernsthaft erwogen werden. Sie kann aber nur ultima ratio sein. Wir fassen deshalb zuerst eine kartellrechtsähnliche Regulierung von Internetplattformen ins Auge. Dreh- und Angelpunkt dabei ist das Gebot der Nichtdiskriminierung von alternativen Anbietern, die Platzhirsche innovativ herausfordern.
Verhindern von Steuerdumping
Drittens: Wir brauchen ein Stoppschild für Steuerdumping. Mindestbesteuerung in Europa ist ein Thema für die Hüter des Wettbewerbs in der digitalen Ära. Es kann doch nicht sein, dass der Internethandel durch aggressive Verlagerung der Gewinne in Steueroasen und Steuerunterbietungsländer radikal der Besteuerung ausweicht, während die normalen Einzelhändler vor Ort, die sich an die Regeln halten, zugrunde gehen. Mit solchen Methoden hat Apple seine Steuern auf im Ausland erzielte Gewinne auf ein Prozent, Google auf drei und Amazon auf fünf reduziert. Europa muss dagegen härter angehen – und das als solidarisches Handeln begreifen. In der digitalen Ökonomie müssen wir sicherstellen, dass der Ort der Wertschöpfung wieder mit dem Ort der Besteuerung übereinstimmt.