Plädoyer für eine Open-Source-Gesellschaft : Wir müssen Big Data beherrschen!
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Edward Snowden spricht in einer Videokonferenz im April 2014 auf der Versammlung zur Massenüberwachung des Europarats in Straßburg Bild: REUTERS
Daten sind kein Nationaleigentum, sie sind öffentliches Gut. Der Staat sollte die Konsequenz ziehen und für Offenheit sorgen. Und die Konzerne auch.
In seinem Beitrag für die F.A.Z. ist Martin Schulz liberalen Politikern jenseits des Atlantiks gefolgt, die, wie der Kanadier Michael Ignatieff oder der Amerikaner Larry Summers, darüber nachdenken, was wir als Gesellschaft mit der technologischen Revolution anstellen sollen. Durch die Beiträge von Gerhart Baum und Christian Lindner haben auch deutsche Liberale bereits wichtige Anstöße gegeben.
Liberale und Sozialdemokraten scheinen darin übereinzustimmen, dass „Big Data“ von Nutzen für unsere Wirtschaft und Gesellschaft sein kann, aber in den Händen von „Big Companies“ und „Big Government“ in ebenso hohem Maße auch schädlich. Deshalb die Frage: Wie gewährleisten wir, dass der Nutzen fair verteilt wird, während die negativen Effekte unter Kontrolle sind? Ich erhebe nicht den Anspruch, dieses komplexe Puzzle zu lösen. Ich möchte vielmehr einige Beobachtungen mitteilen. Mein zentraler Punkt ist, dass der Staat als der größte „Daten-Multi“ den Weg weisen sollte, indem er seinen modus Operandi drastisch verändert und die Toolbox seiner Datenbestände öffnet.
Als Individuum ertrinkt man in Big Data. Für große Unternehmen und für den Staat ist Big Data etwas, das in Programmen und Datenbanken strukturiert, zum eigenen Vorteil genutzt wird, indem der Bürger erforscht und beeinflusst wird. Um derartige Werkzeuge zu schaffen, braucht man sehr viel Kapital. Wenn man dieses Kapital nicht hat, bleiben diese Daten sinnlos oder gar verwirrend. Bereits 1982 hatte John Naisbitt in seinem Buch „Megatrends“ geschrieben: „Wir werden in Informationen ertrinken und nach Wissen hungern.“ Er hätte nicht mehr recht behalten können.
Schaffung einer Open-Source-Gesellschaft
Der Staat ist Inhaber und Betreiber von Datenbanken zur Sozialversicherung, von Kriminalitätsstatistiken, Informationen zur Mobilität und vielem mehr. Was einem auch in den Sinn kommen mag - der Staat hat die Daten. Aber nur selten teilt er seine Informationen, und wenn, dann nur ausschnittsweise. Datenerhebung durch die öffentliche Hand ist allzu häufig gleichbedeutend mit Datenversenkung. Es ist für die Bürger unklar, was mit den Daten geschieht, für die sie sorgen: Werden sie je verwendet? Und wenn ja, was geschieht mit ihnen? Das Problem ist, dass die meisten europäischen Staaten diese Daten als nationales Eigentum erachten, obwohl sie als öffentliches Gut betrachtet werden sollten. Wenn unsere Staaten beziehungsweise die Regierungen es schaffen, den entscheidenden Wechsel von nationalem Eigentum hin zu öffentlichem Gut zu machen, würden sie einen Großteil dessen, was sie auf illegitime Weise von den Menschen einbehalten haben, zurückgeben.
Das Problem, das wir heute mit Technologien haben, die in unser Privatleben eindringen und es bedrohen, ist nicht so sehr, dass wir nicht über die richtigen Regeln verfügen würden. Sicher gibt es beim Datenschutz immer Raum für Verbesserungen, doch das Hauptproblem ist, dass es sehr schwer ist, diese Regeln richtig umzusetzen. Denn die gesammelten Daten stellen ein wertvollen Schatz dar, der hinter hohen Mauern verborgen wird. Wenn der NSA-Skandal uns eines gelehrt hat, dann, dass die Anwendung selbst der grundlegendsten Gesetze in der Praxis problematisch ist. Das Belauschen der eigenen Bevölkerung, von ausländischen Bürgern und Regierungschefs befreundeter Staaten durch die amerikanische Regierung ist an sich und zudem in seiner Dimension schockierend. Dabei verstieß die amerikanische Regierung nicht gegen irgendwelche Ausführungsbestimmungen, sondern es geht um die massive Verletzung von einigen der grundlegendsten bürgerlichen Freiheiten.