Er spricht zu uns
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Freunde fast fürs Leben, erst spät verfeindet: Marcel Reich-Ranicki und Walter Jens im Jahr 1967 auf Sylt, aufgenommen von Andrew Ranicki Bild: Privatbesitz/Andrew Ranicki
Neues aus dem Leben Marcel Reich-Ranickis: In der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt erinnert eine Ausstellung an den Literaturkritiker. Wird er nun museumsreif?
Und dann war da noch die Kritik an den Kleidern der Schwiegertochter. Ida Thompson erzählt von Marcel Reich-Ranickis beharrlichem Herummäkeln an ihren selbstgenähten Outfits: „Wann immer wir nach Frankfurt kamen, kritisierte er, was ich trug.“ Die Paläontologin, die den Sohn des Kritikers in Princeton kennenlernte, spricht Englisch, zitiert den Satz, den Reich-Ranicki kurz vor der geplanten Feier zum 90. Geburtstag seiner Frau Teofila äußerte, aber auf Deutsch. Man müsse das Fest absagen, teilte der Kritiker Andrew Ranicki mit: „Ida könnte ein unangemessenes Kleid tragen.“ Neun Jahre nach Reich-Ranickis Tod und vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes gestattet Thompson sich den kurzen öffentlichen Einblick in die private Dimension verletzender Kritik.
Es ist eine Rolle, in der Reich-Ranicki nur Angehörige auftreten lassen können. „Ein Leben, viele Rollen“ lautet der Titel, den Sylvia Asmus und Uwe Wittstock ihrer Ausstellung im Frankfurter Sitz der Deutschen Nationalbibliothek gegeben haben. Der Kritiker, Vermittler, Freund und Feind – für die Leiterin des Deutschen Exilarchivs und den Kritiker und Reich-Ranicki-Biographen handelt es sich um Rollen, die er selbst wählte, die ihm von seiner Umgebung angetragen oder die ihm aufgezwungen wurden.
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