Widerstand statt Verhandlung
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Ukrainische Kämpfer nach der Evakuierung im Werk Azovstal in Mariupol. Bild: AP
Für Jürgen Habermas ist eine Niederlage der Ukraine nicht schlimmer als eine Eskalation des Konflikts. Denn er begreift nicht, dass Putin den Westen im Visier hat, dessen Freiheit in der Ukraine verzweifelt verteidigt wird. Ein Gastbeitrag.
Die Philosophie von Jürgen Habermas steht mir außerordentlich nahe. Ich, ein Philosoph aus Kiew, war einer der Ersten in der Sowjetunion, der in den Siebzigerjahren die neue deutsche Philosophie für den sowjetischen intellektuellen Raum zu erschließen begann. Dieses Feld sollte noch lange von einer verkürzten und ideologischen Spielart des „Marxismus-Leninismus“ dominiert werden. Die Philosophie von Habermas hat dort eine jener „kleinen Revolutionen“ angestoßen, die faktisch alles verändert haben.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Kollaps ihres ideologischen Überbaus brachte die kommunikative Philosophie aus Deutschland frischen Wind in unsere Köpfe. Die Vorstellungen von einem entschränkten Horizont der Kommunikation, dem Sieg des besseren Arguments anstelle von Gewalt und einer Auffassung von Kommunikation als Grundlage jeglicher Ethik haben uns viele neue Antworten auf schwierige Fragen gegeben. Die Habermassche Transformation der Sozialphilosophie auf Grundlage der Theorie des kommunikativen Handelns, seine Diskursethik und seine politischen Untersuchungen hatten großen Einfluss auf die Entwicklung der ukrainischen Philosophie in der Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Sie trug auch dazu bei, die theoretischen Grundlagen für die Herausbildung einer Zivilgesellschaft und einer politischen Nation in der Ukraine zu schaffen.
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