Alain Finkielkraut wird 70 : Im Clinch mit dem Zeitgeist
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Seit drei Jahren auch unter den „Unsterblichen“ der Académie française: Alain Finkielkraut Bild: AFP
Einsprüche gegen gängig gewordene Vorstellungen gehören für ihn zur Pflicht des Philosophen und Intellektuellen. Und sie dürfen auch scharf ausfallen. Zum Siebzigsten von Alain Finkielkraut.
Der jüngste große mediale Auftritt Alain Finkielkrauts hing an keinem neuem Buch, auch nicht an einer provokanten Äußerung, wie man sie von diesem streitbaren Philosophen und Essayisten immer noch jederzeit erwarten darf. Er hing an Beschimpfungen, mit denen ihn einige „Gelbwesten“ im Februar dieses Jahres überzogen, nachdem sie ihn auf dem Pariser Boulevard Montparnasse erkannt hatten.
Als „Zionist“ und „Rassist“ wurde er angegangen, ganz so, als hätten die enragierten Demonstranten zum Beweis antreten wollen für Finkielkrauts über dreißig Jahre zuvor bereits geäußerte Diagnose, dass der Antizionimus in Reaktion auf die Politik Israels im Aufschwung sei und dabei, ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen, die klassischen antisemitischen Anwürfe übernehme.
Der Linken liebste Güter
Das war auch auf die Linke gezielt, der er ohnehin über die Jahre hinweg in seinen Büchern viele ihrer besonders nachdrücklich gehegten Vorstellungen madig machte: ob nun die Verheißungen der sexuellen Revolution nach 1968, ein gedankenloses Lob demokratisierter Kultur oder einen naiv zelebrierten Multikulturalismus, dem die selbstbestimmten Minderheiten über alles oder jedenfalls vor republikanischen Universalismus gehen.
Links hat man ihm, der mit Bernhard-Henri Lévy und André Glucksmann die Kernformation der „Nouveaux Philosophes“ gebildet hatte, denn auch dafür gern das Etikett des kulturkonservativen oder gleich reaktionären Autors verpasst. Letzteres trifft freilich selbst dann nicht wirklich, wenn man in Rechnung stellt, dass Finkielkraut bei seinen Polemiken mitunter zu heiklen Zuspitzungen neigt, als Buchautor genauso wie als Kolumnist und als Gastgeber seiner Diskussionssendung „Répliques“ im französischen Rundfunk.
Zwischen den Fronten
Natürlich gilt, dass wer mit solcher Intensität, wie Finkielkraut es tut, in den Clinch mit dem Zeitgeist geht, gegen Lob aus den falschen Reihen nicht gefeit ist. Aber dem Versuch, die Thesen seines vor sechs Jahren erschienenen Buchs über die „unglückliche Identität“ Frankreichs als Sukkurs für einen um Respektabilität bemühten Rassemblement National (damals noch Front National) zu nehmen, hat er entschieden widersprochen (was ihm naturgemäß nichts nützte).
Zwischen den Fronten zu stehen, als Quertreiber, dem man die Lust an diesem Geschäft anzusehen meint, der darin aber vor allem eine Pflicht als Intellektueller und Philosoph sieht, das hat er eindrucksvoll eingeübt. An diesem Sonntag wird Alain Finkielkraut, seit drei Jahren unter den „Unsterblichen“ der Akademie, siebzig Jahre alt.