„Nordkurier“-Posse : Schaum vor dem Mund?
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Redaktion des „Nordkurier“ Bild: Andreas Pein
Nach dem „Rabauken“-Urteil sieht die Staatsanwaltschaft von einem zweiten Strafverfahren ab. Obwohl sie sich vom „Nordkurier“-Chefredakteur Lutz Schumacher beleidigt fühlt.
Es wird keine Ermittlungen gegen Lutz Schumacher, Chefredakteur des „Nordkurier“, wegen seiner Äußerung über einen Staatsanwalt „mit Schaum vor dem Mund“ geben. Das erklärte die Staatsanwaltschaft Stralsund sieben Wochen nach dem Eingang einer Strafanzeige wegen Beleidigung. Schumacher hatte eine Gerichtsverhandlung gegen seinen Mitarbeiter Thomas Krause wegen des Begriffs „Rabauken-Jäger“ zugespitzt kommentiert. Nun sagte er dieser Zeitung: „Es ist beruhigend, dass die Staatsanwaltschaft Stralsund den hohen Wert und den Vorrang der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit und Pressefreiheit erkannt hat. Ich hoffe, dass dies nun auch im Berufungsverfahren gegen Thomas Krause zu einem Umdenken führen wird und die Staatsanwaltschaft im anstehenden Prozess den mehr als überfälligen Freispruch beantragt.“
Allerdings könnte sich Schumacher zu früh freuen. Zwar hat die Staatsanwaltschaft von Ermittlungen gegen ihn abgesehen. Die Pressemitteilung der Behörde lässt aber erkennen, dass sie Schumachers Äußerungen weiterhin als ehrenrührig und damit als Beleidigung auffasst. Die Pressefreiheit überwiege in diesem Fall nur, weil bei „Angehörigen des öffentlichen Dienstes“ die Grenzen weiter zu ziehen seien als bei Privatpersonen und der Staatsanwalt nicht namentlich identifiziert wurde.
Mangel an Missachtung
Für einen gleichlautenden Kommentar, der den Staatsanwalt namentlich genannt hätte, könnte einem Journalisten in Mecklenburg-Vorpommern eine Geldstrafe drohen. „Die Staatsanwaltschaft zeigt hier Folterwerkzeuge vor, die ihr gar nicht zustehen. Die Äußerung ,Schaum vor dem Mund haben‘ bedeutet so viel wie sehr wütend zu sein. Wo enthält dies den Ausdruck der Missachtung?“, sagt Holm Putzke, Professor für Strafrecht an der Universität Passau. Mangels Missachtung mangele es bereits am Tatbestand der Beleidigung, so dass die Staatsanwaltschaft Stralsund gar nicht zu einer Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrschutz hätte kommen dürfen. „Die entlastende Entscheidung für den Chefredakteur des ,Nordkurier‘ enthält bei näherem Hinsehen einen weiteren Angriff auf die Pressefreiheit im nordöstlichen Bundesland“, meint Putzke.
Chefredakteur Schumacher sieht es ähnlich. Dass die Staatsanwaltschaft von ehrenrührigen Äußerungen spreche, zeige, „dass auch in Deutschland die Meinungsfreiheit leider keine Selbstverständlichkeit ist und immer wieder neu erkämpft werden muss“. Als „peinlich und inakzeptabel“ bleibe auch das Verhalten von Landesjustizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) in Erinnerung, die es versäumt habe, „mäßigend auf die Staatsanwaltschaft einzuwirken und sich in juristischen Haarspaltereien verlor, anstatt die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger zu schützen“.