Debatte : Wofür steht die Kölner Moschee?
- Aktualisiert am
Bild: F.A.Z.-Greser&Lenz
Wenn die Religion zur kriegführenden Macht wird: Der Schriftsteller Dieter Wellershoff wohnt seit Jahrzehnten in Köln. Jetzt soll dort die größte Moschee Deutschlands entstehen. Fühlt er sich in seiner Stadt noch zu Hause?
Eigentlich, so möchte man glauben, hätte der in den letzten Wochen immer wieder auflodernde Streit um den geplanten Bau einer großen Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld gleich mit dem Hinweis auf Artikel 4 des Grundgesetzes beendet werden können, der das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. Und in der Praxis ist es auch so. Die Moschee wird gebaut werden. Einsprüche dagegen, auch Ralph Giordanos Appell an die Stadt, die Baugenehmigung zurückzuziehen, haben juristisch und auch politisch keine Chance.
Doch damit ist der Konflikt nicht beseitigt, und die Probleme sind nicht aus der Welt. Sie hängen zum Teil mit der Größe des Projekts zusammen. Der mächtige Kuppelbau, der mit seinen beiden fünfundfünfzig Meter hohen Minaretten die größte Moschee Deutschlands sein wird, bietet Raum für zweitausend Beter, die zum traditionellen Freitagsgebet nicht nur aus Ehrenfeld, sondern aus einem weiträumigen städtischen Umkreis erwartet werden. Die 137 bisher nachgewiesenen Parkplätze und das vorhandene Straßennetz dürften einem solchen Massenandrang nicht annähernd gewachsen sein. Das bedeutet ständig wiederkehrenden Stress für die Anwohner, der sich schnell zum Bild einer Invasion verdichten und unkalkulierbare Reaktionen hervorrufen kann, langfristig vielleicht sogar den Exodus eines Teils der deutschen Bevölkerung.
Prozesse sozialer Entmischung
Solche Prozesse sozialer Entmischung, die meist unauffällig beginnen, sich aber, langfristig kumulierend, fortzusetzen pflegen, bis am Ende ein homogenes soziales Getto zurückbleibt, dienen vielleicht der Konfliktvermeidung, sind aber das Gegenteil von Integration. Überall, wo Integration gelungen ist, hat sie sich als ein langsamer wechselseitiger Gewöhnungsprozess abgespielt und nicht so spektakulär und herausfordernd angekündigt wie mit diesem großen Sakralbau, der manchen Bewohnern des alten Stadtteils so fremdartig und imaginär wie ein dort plötzlich gelandetes Objekt aus einer anderen Welt erscheinen mag. Aber, wie gesagt: Die „Landeerlaubnis“ liegt vor. Sie steht im Artikel 4 unseres Grundgesetzes.
Die Bauherrin Ditib, was ungekürzt und respektheischend „Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion“ heißt, beruft sich zur Legitimation ihrer Baupläne auf einen längst anstehenden Nachholbedarf. Man wolle mit der Errichtung der Moschee die zahlreichen muslimischen Gläubigen endlich aus ihren Hinterhöfen und Notunterkünften herausholen und ihnen einen würdigen Gebetsort geben. Das klingt einleuchtend. Und die Stadtpolitiker haben sich dieses Argument wohl zu eigen gemacht. Aber ich muss gestehen, dass ich die beiden kleinen Räume eines Eckhauses in der Kölner Südstadt, in denen seit Jahren alltäglich gekleidete türkische Männer mittleren und fortgeschrittenen Alters zum Gebet und zu nachbarschaftlichen Gesprächen zusammenkommen, gerade wegen ihrer Alltäglichkeit und Intimität als Gebetsorte immer besonders sympathisch fand. Die Religionsausübung hat dort eine zwanglose Gemeinschaftlichkeit und scheint natürliche Bedürfnisse nach persönlichem Kontakt und menschlicher Nähe zu befriedigen.