
Denkmalschutz in NRW : Debatte unerwünscht
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Um den 1968 von Gottfried Böhm entworfene Wallfahrtsdom in Velbert-Neviges muss man sich keine Sorgen machen. Andere Kirchen der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen könnten leichter zum Abriss freigegeben werden, wenn das neue Denkmalschutzgesetz den Landtag passiert. Bild: epd-bild / Thomas Robbin
Denkmalschützer erheben schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung in Düsseldorf: Fachämter sollen geschwächt werden, und die Kirchen sollen Sonderrechte erhalten, um den Abriss von Gotteshäusern zu erleichtern.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz pflegt in ihren Pressemitteilungen gemeinhin einen gediegenen, zurückhaltenden Tonfall. Diesmal ist das anders. Nachdem die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vor gut zehn Tagen dem Landtag den Entwurf für ein neues Denkmalschutzgesetz vorgelegt hat, spricht die Stiftung davon, dass das kulturelle Erbe im größten deutschen Bundesland gefährdet sei. Der zuständigen Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) wirft Stiftungsvorstand Steffen Skudelny zudem „Unwilligkeit zur Debatte“ vor.
Über das neue Denkmalschutzgesetz wird seit dem Sommer 2020 gestritten, in dem ein Referentenentwurf vorgelegt wurde. Kritische Stellungnahmen von Verbänden der Denkmalpflege waren in dem Entwurf, dessen überarbeitete Fassung das Kabinett dann am 2. März vergangenen Jahres beschloss, jedoch nicht berücksichtigt worden. Die in den anschließenden Anhörungen wiederholte Kritik ist abermals weitgehend verpufft. Vielmehr macht die Ministerin auf ihrem Holzweg Tempo. Das Gesetz soll in den wenigen verbleibenden Wochen der Legislaturperiode durch das Parlament gepeitscht werden.
Es droht inhaltlich wie institutionell großer Schaden für den Denkmalschutz, vor allem in der Baudenkmalpflege. So sollen die Fachämter, die bei den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe angesiedelt sind, entmachtet werden. Sie beraten die Unteren Denkmalschutzbehörden in den Kommunen. Diese müssen künftig kein Benehmen mehr mit den Fachämtern herstellen, denen darüber hinaus das Recht genommen werden soll, ihrerseits Eintragungen in die Denkmalliste zu beantragen. Die zu erwartenden Konsequenzen für die Praxis sind gravierend: Künftig werden weisungsbefugte Mitarbeiter der betreffenden Kommunen darüber entscheiden, ob ein Bau unter Schutz gestellt oder letztlich abgerissen beziehungsweise tiefgreifend umgebaut werden darf. Die einzige Konzession des Ministeriums an die Kritiker lautet, dass nicht angemessen ausgestattete Untere Denkmalbehörden weiterhin ein Benehmen mit den Fachämtern herstellen müssen. Darüber, welche Behörden nicht angemessen ausgestattet sind, soll allein das Ministerium entscheiden.
Zwei Prozent der Gebäude geschützt
Besorgniserregend ist auch die Formulierung des Gesetzentwurfs, wonach „Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit“ angemessen zu berücksichtigen sind. Hier werden politisch aktuell sehr angesagte Ziele in Anschlag gebracht, um weitreichende Eingriffe in historische Bausubstanz zu rechtfertigen oder eine Unterschutzstellung zu verhindern. Dass nur rund zwei Prozent des Gebäudebestandes in Nordrhein-Westfalen denkmalgeschützt sind und es klimapolitisch zu verantworten wäre, an sie nicht allzu hohe energetische Ansprüche zu stellen, wird nicht berücksichtigt.
Angesichts der Unbelehrbarkeit der Ministerin und ihres Drängens zur Eile stellt sich die Frage: Cui bono? Oder, wie der Engländer sagen würde: Where is the money? Es drängt sich der Verdacht auf, dass Scharrenbach mit der faktischen Lockerung des Denkmalschutzes vor allem auf die Nachkriegsbauten zielt, deren Unterschutzstellung in vielen Fällen ansteht. Dem Vernehmen nach blicken große Wohnungsgesellschaften mit Sorge darauf, welche Konsequenzen die Unterschutzstellung von Siedlungen für sie haben könnte. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass Glaubensgemeinschaften eine Sonderrolle zugestanden wird. Sie sollen gegen die Unterschutzstellung von Gebäuden, die der Religionsausübung dienen, direkt bei der Obersten Denkmalbehörde, also dem Bauministerium, Beschwerde einlegen können. Das Ministerium soll dann unter Einbindung des Sakralausschusses, in dem auch die Kirchen wiederum vertreten sind, entscheiden.
Denkmalschützer befürchten, dass die Politik es den Kirchen erleichtern möchte, Flächen zu vermarkten, auf denen derzeit noch Gotteshäuser stehen, die in den Fünfziger- bis Achtzigerjahren errichtet wurden, längst aber, gemessen am Bedarf der Gemeinden, zu groß und zu teuer im Unterhalt geworden sind; eine mögliche Unterschutzstellung würde dieses Kalkül durchkreuzen. Als Beispiel wird das Bistum Paderborn genannt, das im November einen Plan vorgelegt hat, nach dem es sich von zahlreichen Immobilien trennen möchte.