Die Ansteckung wagen
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Als das britische Parlament 1898 ein Gesetz mit Gewissensklausel für Impfverweigerer beschloss, sah der Karikaturist Sambourne darin die Degeneration der Gattung. Bild: Getty
Sind Impfverweigerer irrational oder im „robusten Modus“? Der Philosoph Boris Groys erörtert die Widersprüchlichkeit einer Politik im Zeichen der Gesundheit.
Der bockige Teil der Bevölkerung, der sich den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht fügen will, wird gern als irrational abgestempelt. Der Vorwurf setzt umgekehrt voraus, dass es eine rationale Art und Weise gebe, als Staat die Gesundheit der Bevölkerung zum Leitprinzip zu erklären. Schon vor mehr als hundert Jahren bemerkte aber Gilbert Keith Chesterton mit Blick auf die Ambitionen von Eugenikern, er wisse nicht, ob „eine medizinische Überwachung zu starken und gesunden Menschen führen“ werde: „Ich bin mir nur gewiss, dass, falls es stimmt, die erste Handlung der starken und gesunden Menschen darin bestünde, die medizinische Überwachung zu zerschlagen.“
In der aktuellen Ausgabe von Lettre International schlägt Boris Groys in dieselbe Kerbe: Gesundheit bestehe letztlich in der Souveränität von Selbstsorge. Der biopolitische Staat, der sich die Gesundheit seiner Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben habe, werde dieses Ziel in dem Maß verfehlen, indem er es verfolge: „Insofern der Staat Sorge für seine Bevölkerung trägt, verhindert er die Möglichkeit der Selbstsorge und macht dadurch seine Bevölkerung krank.“ Von vornherein. Es geht hierbei also nicht darum, wie so oft gesagt wird, Freiheit gegen Gesundheit aufzuwiegen, es geht um die innere Widersprüchlichkeit des Vorhabens, für Gesundheit zu sorgen.
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