AfD-Anfrage zur Kolonialkunst : Scharfmacherfragen und ernüchternde Antworten
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Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) im November des vergangenen Jahres bei einer Internationalen Fachkonferenz zum Umgang mit NS-Raubkunst in Berlin. Bild: dpa
Die Bundesregierung hat eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion zur Kolonialkunst beantwortet. Die AfD will nicht nur wissen, ob Kunstwerke zurückgegeben werden müssen. Sie schürt auch Ressentiments.
Am 5. Juli dieses Jahres hat die AfD-Fraktion im Bundestag eine Große Anfrage zur „Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen“ gestellt. Es ist ein seltsames Dokument: ein Gemisch aus Sach- und Suggestivfragen, aus echtem Interesse am Thema und speckiger Stammtisch-Rhetorik.
Einerseits will die AfD, angeführt von ihrem kulturpolitischen Sprecher und Sloterdijk-Schüler Marc Jongen, von der Bundesregierung wissen, wie viele Mitarbeiter bei den Berliner Museen für Ethnologie und Asiatische Kunst derzeit mit Provenienzforschung beschäftigt sind, was sie kosten, wie stark die Forschung an kolonialem Kulturgut in Berlin und beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg ausgebaut werden und was das wiederum kosten soll, welche gesetzlichen Grundlagen für eine Rückgabe von Kolonialkunst bestehen und so fort.
Andererseits fragt sie, ob der Bund wisse, wie viele der „möglichen Restitutionsgüter“ in ihren Herkunftsländern noch einen „Sitz im Leben“ hätten; wie man sicherstellen wolle, dass die Objekte mit der nötigen „konservatorischen oder kuratorischen Kompetenz aufbereitet“ würden und nicht „in Privathände“ gelangten; ob „die kuratorischen und konservatorischen Leistungen“ der Berliner Museen bei den Empfängern „in irgendeiner Weise gewürdigt“ worden seien; und ob die Bundesregierung „Initiativen ergriffen“ habe, auf diesen „Beitrag zur Erinnerungskultur“ in den Herkunftsländern hinzuweisen. Mit dem, was beim Thema Rückgabe kolonialer Artefakte im Augenblick zwischen Berlin und Afrika geschieht und in nächster Zeit noch geschehen wird, hat das alles nichts zu tun. Es ist reine Scharfmacherei.
Nun hat die Bundesregierung unter Federführung der Kulturstaatsministerin Monika Grütters nach fünfmonatiger Bedenkzeit auf die AfD-Anfrage geantwortet. Ihre Stellungnahme ist ernüchternd, nicht nur weil sie in vielen Punkten einer eindeutigen Auskunft ausweicht: Der Anteil der Provenienzrecherche an der Arbeit der Museumsangestellten sei „nicht quantifizierbar“, zur Anzahl möglicher Restitutionsfälle lägen „keine belastbaren Erkenntnisse“ vor, die Eigentumsrechte an den Objekten unterlägen der „Prüfung im Einzelfall“, und die Entscheidung über die Rückgabe läge „bei der jeweiligen Einrichtung und ihrem Träger“.
Unter den Bedingungen des Kulturföderalismus bedeutet das, dass von den 6372 Museen in Deutschland genau vier, darunter das Deutsche Historische Museum, dem Bund als Entscheidungsträger unterstehen – und ebendort, beim DHM in Berlin, ist auch die derzeit einzige staatliche Rückgabeforderung aus Afrika anhängig; sie betrifft die Säule von Cape Cross in Namibia, und ihre Prüfung, heißt es, „dauert an“. Alle übrigen Museen befinden sich in der Trägerschaft der Bundesländer und Kommunen, teils unter Mitwirkung des Bundes. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz etwa, zu der die Museen im Humboldt-Forum gehören, wird von Bund und Ländern gemeinsam verwaltet; im Stiftungsrat hat der Bund die Mehrheit, aber gegen die Länder kann er darin auf Dauer nicht agieren.
Die Provenienzforschung, die historische Aufarbeitung und Digitalisierung der ethnologischen Sammlungen und die aus ihnen womöglich folgenden Restitutionen sind mithin an die Strukturen des deutschen Museumsbetriebs gefesselt, und für diese gilt, was Goethe im „Faust“ von den Privilegien im Heiligen Römischen Reich sagt – „sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte / und rücken sacht von Ort zu Ort.“ Solange sich an diesen Verhältnissen nichts ändert, läuft alles Gerede über die deutsche Saumseligkeit und den heiligen Eifer Macrons und selbst das intrigante Gemunkel der AfD ins Leere. Jedes der sechsundvierzig ethnologischen Museen in Deutschland bleibt auf sich gestellt, jedes muss sich selbst durch das Dickicht von historischen, moralischen und kuratorischen Fragen wühlen, das die Kolonialgeschichte hinterlassen hat.
Im Humboldt-Forum, wo man ein wenig Weltkulturpolitik treiben will, ist immerhin eine Ausstellung über „geteilte Objektgeschichten“ zwischen Deutschland und Tansania geplant, und bei einer weiteren Schau über Amazonien sollen auch Experten aus Südamerika mitreden dürfen. Wer aber auf einen kulturzentralistischen Donnerschlag à la française hofft, hat sich in der Adresse geirrt. Beim Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg wird es von 2019 an tatsächlich neue Planstellen für koloniale Provenienzforschung geben. Es sind drei. Bei mehreren hunderttausend unerforschten ethnologischen Objekten kann man sich vorstellen, was auf die Stelleninhaberinnen zukommt.