Wirbel um Bremer Predigt : Religion als hochentzündlicher Gefahrenstoff
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Das hört sich gläubig, ja streng gläubig, im ganzen aber doch manierlich an, so dass man weder dem Gott noch seinem Propheten geneigt wäre, eine Unschicklichkeit zu Last zu legen, sieht man von den zwei, drei Ausdrücken ab, die den Kohl der Predigt ja offenbar nicht fett machen. Und doch, hört man sich im Internet die Predigt nun endlich selbst einmal an, dann vollzieht man die Verstörung nach, die sie als „unumgängliche Klärung des christlichen Selbstverständnisses“, wie es in der Kirchenverfassung von St. Martini heißt, hervorruft. Hatten wir so lange nichts Klärendes von Gott und seinen Pastoren gehört? Hatte sich das christliche Selbstverständnis im windelweichen EKD-Zeitgeist so weit verflüssigt, dass es Gott gefiel, seinen Pastor Latzel auf die Kanzel zu schicken, um uns seine, Gottes, Eifersucht ins Gedächtnis zu rufen, dem - ja, dunkel erinnern wir uns ans erste Gebot - „nichts mehr ein Greuel ist, als wenn neben ihn andere Götter gestellt werden“?
Gideon hackt durch die gute Stube
Die Predigt. Latzel zitiert in ihr das alttestamentliche Buch Richter, näherhin den Richter Gideon, welcher Name auf Deutsch so viel wie Hacker, Holzfäller bedeutet, weshalb Latzel plötzlich stoßartig „umhauen, verbrennen, hacken, Schnitte ziehen“ ruft (solches tat der Hacker Gideon nämlich mit den Götzenbildern, den Bremer Pastorenkollegen ein Greuel), um damit zu jenem heiligen Eifer anzuspornen, mit dem auch jeder Christ in seinem Haus umhauen, verbrennen, hacken, Schnitte ziehen soll (nein, nicht im ganzen Land; diesbezüglich wird die Staatsanwaltschaft bei Latzel nicht fündig werden). Was aber soll gehackt und so weiter werden? Na ja, eben all die Talismänner, Glückspfennige, Amulette, Christopherus-Plaketten hinterm Rückspiegel, die Voodoo-Schlüsselanhänger und auch die Buddha-Figürchen auf der Kommode - all das, von Latzel einzeln namhaft gemacht, muss raus aus christlichen Wohnzimmern und Automobilen, da soll der Gideon einmal durch die gute Stube hacken!
Die Predigt. Ein homiletischer Furor fürwahr, ein Sprung aus dem heiligen Text in die Lebenswelt von 2015 und doch um einen traditionell christlichen Kern gruppiert, welcher den Synkretismus der Religionen (Latzel: „so alles zusammenmanschen“) verwirft und in diesem Sinne aus dem Munde seines Pastors wissen lässt: „Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben“ (Gideons Hackordnung bleibt hier erfreulicherweise unscharf), um freilich sogleich „Liebe und Barmherzigkeit“ für jeden Muslim einzufordern. Und wenn, so fährt Latzel in seiner Predigt fort, „Muslime verfolgt werden, dann haben wir uns vor sie zu stellen. Das ist unsere Aufgabe als Christen.“
Was erkennen wir im deutschen Sittengemälde von Sunte Marten, wenn sich auf einmal an Olaf Latzel alle öffentlichen Nervositäten festmachen? Wenn es plötzlich dieser Bremer Pastor ist, von dem die einen sagen, da spreche endlich mal einer aus, was sonst angeblich nicht gesagt werden dürfe? Und die anderen sich schütteln vor Abscheu und Entsetzen über diese vermeintliche Stimme von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie? Unser Land ist doch wohl außer Rand und Band.