
Starautorin Krone-Schmalz : Putins Ramsch
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Von der Wirklichkeit überholt: Die Bücher der Autorin Gabriele Krone-Schmalz über Russland werden im Verlag C. H. Beck nicht mehr nachgedruckt. Bild: dpa
Der Beck-Verlag wird die Bestseller von Gabriele Krone-Schmalz nicht mehr nachdrucken. Die Autorin, sagt der Verleger, habe eingestanden, dass ihre Bücher widerlegt seien. Ein solches Eingeständnis gibt es nicht: Krone-Schmalz setzt ihre Putin-Apologetik fort.
Die russische Eroberung der Ukraine begann 2014, mit der Annexion der Krim. Im Jahr darauf veröffentlichte Gabriele Krone-Schmalz, die von 1987 bis 1991 für die ARD aus Moskau berichtet hatte, im Verlag C. H. Beck ein Buch zum Thema: „Russland verstehen. Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens“. Zwei Jahre später kam sie im gleichen Verlag auf die Sache zurück: „Eiszeit. Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist“. Auch der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk ist Autor bei Beck. Seit 2009 erschienen dort mehrere seiner Bücher zur Geschichte der DDR. Am 27. Februar schrieb er seinem Verleger einen Brief, in dem er Krone-Schmalz als Putin-Propagandistin und geistige Brandstifterin charakterisierte. Sie habe entscheidend dazu beigetragen, „dass in Deutschland bis heute Verwirrung herrscht bei der Einschätzung des diktatorischen Regimes von Putin und der Geschichte und Gegenwart der Ukraine“. Kowalczuk forderte den Verleger auf, „sämtliche Gewinne aus den Büchern von Frau Krone-Schmalz“ für ukrainische Flüchtlinge zu spenden „und das auch öffentlich zu bekunden“.
Die Antwort aus München fiel zu Kowalczuks Zufriedenheit aus, wie er bei Twitter mitteilte: Jonathan Beck „schrieb, dass sie das tun werden (er nannte mir eine konkrete, sehr hohe Summe) – sie werden auch solche Bücher trotz der hohen Nachfrage nicht mehr nachdrucken!“. Diese Mitteilung ist missverständlich. Jonathan Beck hat Kowalczuk nicht zugesagt, den Gewinn aus dem Krone-Schmalz-Geschäft der Flüchtlingshilfe zuzuführen und damit eine Art Bußzahlung für die Verbreitung von Putin-Propaganda zu leisten. Die in Becks Brief erwähnte Spende hat der Verlag ausdrücklich nicht deshalb getätigt, weil er Krone-Schmalz im Programm hat. Sie wird auch nicht aus dem Programm genommen: Der Verlag wird die beiden Russland-Titel „in dieser Form“ nicht nachdrucken, weil sie jetzt veraltet sind.
Auf schrecklichste Weise überholt
Über die Umstände, durch welche die beiden Bestseller zum Tagesgeschehen Makulatur geworden sind, äußert sich Beck indes mit bemerkenswerter Deutlichkeit. „Auf schrecklichste Weise wurden die auf Russland bezogenen Bücher von Frau Krone-Schmalz inhaltlich überholt und in vielen Punkten widerlegt. Sie hat das in der Berliner Zeitung kürzlich ja selbst eingestanden.“ Es ehrt den Verlag, dass er seine Starautorin nicht fallen lässt wie die Stadt München ihren Stardirigenten. Der Preis der noblen Haltung ist freilich Selbsttäuschung darüber, was Krone-Schmalz verbreitet.
Beim besten Willen lässt sich ihrem Zeitungsartikel nicht die Einsicht entnehmen, dass ihre Bücher von 2015 und 2017 in wesentlichen Punkten widerlegt seien. Ihr Geständnis, sich geirrt zu haben, ist beschränkt auf ihre Einschätzung von Putins Absichten im Jahr 2022. Keineswegs stellt sich für sie nun Putins früheres Verhalten in verändertem Licht dar; ihr Urteil von 2015, die Krim-Annexion sei „keine Landnahme“ gewesen, „sondern Notwehr unter Zeitdruck“, korrigiert sie nicht. Für eine solche Korrektur gibt es auch keinen Grund, denn sie bekräftigt in ihrem Artikel die Hauptthese ihrer Bücher, dass der Westen Russland durch angebliches Nichtverstehen in die Enge getrieben habe. Ihre Putin-Apologetik erreicht einen makabren Höhepunkt in der Erwägung, „dass wir“, die westlichen Staaten und Öffentlichkeiten, anders gesagt also: wir ohne sie, Gabriele Krone-Schmalz, den Putin, in dem sie sich getäuscht hat, „mitgeschaffen haben“. Aus der Sicht der Autorin sollte aktualisierten Neuauflagen der vormaligen Beck-Spitzentitel also nichts im Weg stehen.
Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das nächste Russland-Buch von Krone-Schmalz nicht mehr bei Beck erscheinen wird, auch wenn der Verleger zu vornehm ist, um sich in dieser hypothetischen Frage festzulegen. An Kowalczuk schrieb er: „Ich kann mich nicht darüber freuen, dass sich die düsteren Analysen und Prognosen der Bücher von Timothy Snyder bewahrheitet haben, den wir in all diesen Jahren ebenso verlegt haben.“ Es gehört zum Risiko eines auf Geschichte spezialisierten Verlages, dass Zeitdeutungen durch die Ereignisse falsifiziert werden. Aber mit der Abschreibung der in diesem Fall entstandenen intellektuellen Kosten macht es sich Jonathan Beck vielleicht zu leicht. Snyder und Krone-Schmalz haben ja nicht nur unterschiedliche Ansichten über Putin. Der wahre Gegenstand der Traktate von Krone-Schmalz ist der Westen, sind „wir“.
Die reißerisch aufgemachten Paperbacks redeten die nichtrussischen Mächtigen und vor allem die vermeintlich mächtigen Medien systematisch schlecht. Im schmutzigen Meinungskrieg gegen den Mainstream waren sie der Brückenkopf der verschwörungstheoretischen Gegenöffentlichkeit. Daran verdient zu haben sollte ein Grund für Rechenschaftslegung sein. In geeigneter Form: Hier steckt der Stoff für ein Buch.