Der Traum der apokalyptischen Befreiung
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Kommen da etwa doch noch die Atomraketen? Die Zuschauer einer Militärparade in Havanna zur Feier des fünften Jahrestags des Sturzes der Batista-Diktatur waren gepackt von revolutionärer Naherwartung. Bild: Mauritius
Fidel Castro und Che Guevara wollten ihr Volk der Weltrevolution opfern. Der glimpfliche Ausgang der Kuba-Krise radikalisierte ihren Eifer. Ein Gastbeitrag.
Am 26. Oktober 1962 verfasste Nikita Chruschtschow einen bemerkenswerten Brief an John F. Kennedy. Seine Worte an den Präsidenten der Vereinigten Staaten wählte der sowjetische Machthaber mit außerordentlichem Bedacht. Dazu hatte er gute Gründe. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die Sowjetunion Mittelstreckenraketen und allem Anschein nach auch Nuklearwaffen auf Kuba stationiert hatte. Innerhalb weniger Tage hatte sich die unmittelbar vor der Küste Floridas gelegene Karibikinsel daraufhin in den Konvergenzpunkt der weltumspannenden Konfliktachsen des Kalten Krieges verwandelt. Zeitlich wie geografisch sah sich der Wertekrieg zwischen Ost und West auf ein Minimum komprimiert. Unter diesem Druck schien eine atomare und damit kaum mehr kalkulierbare Entladung immer wahrscheinlicher.
In diesem Augenblick höchster Anspannung ließ der sowjetische Machthaber sein nordamerikanisches Gegenüber in seinem Brief wissen, einen von Kuba ausgehenden Angriff auf das amerikanische Festland könnten „nur Verrückte oder Selbstmörder, die vor ihrem eigenen Tod noch die gesamte Welt zerstören wollten“, gutheißen. Er und sein Land wollten nicht die Zerstörung, sondern das Leben. Und tatsächlich ebneten Chruschtschows besonnene Zeilen den Weg zu einer friedlichen Lösung. Mit dem Einlenken zunächst der Sowjetunion und im direkten Gegenzug der Vereinigten Staaten konnte der angestaute Druck am 28. Oktober über diplomatische Kanäle entweichen. Während der Kreml die Raketen umgehend abziehen ließ, stellte Washington in Aussicht, dass es von einer Invasion Kubas absehen wolle.
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