https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/anstiftung-von-attentaeter-hochglanzanleitung-zum-hass-13366226.html

Dschihadisten-Magazin „Inspire“ : Hochglanzanleitung zum Hass

Notizen eines Attentäters: Auf dieser Seite von „Inspire“ findet sich ein Hinweis auf den Massenmord in Paris - ein französischer Pass. Bild: Archiv

Das Magazin „Inspire“ zeigt angehenden Mördern, wie sie den größtmöglichen Terror verbreiten können. Al Qaida verbreitet das Blatt im Internet. Vielleicht haben es auch die Attentäter von Paris gelesen.

          3 Min.

          Ein Islamist, der sich zu Al Qaida auf der arabischen Halbinsel (Aqap) bekennt, schreibt über die Hintergründe des Anschlags auf „Charlie Hebdo“: „Die inspirierende Medien-Politik der Mudschahedin von Al Qaida und besonders das Magazins ,Inspire‘ haben einen großartigen Erfolg damit errungen, die Zielpersonen zu identifizieren und unsere Kräfte zu stärken.“ Zu lesen ist das auf Glenn Greenwalds Website „The Intercept“. Ihr wurde die Stellungnahme einer anonymen Quelle zugespielt, die Aqap als Auftraggeber der Mörder nennt – und das Al-Qaida-Propagandamagazin „Inspire“ als deren Lehrbuch.

          Ursula Scheer
          Redakteurin im Feuilleton.

          Ob Aqap tatsächlich hinter den Anschlägen steht, ist noch ungewiss, auch wenn „Al Malahim“, die Propagandaabteilung des Terrornetzes, sie für Aqap reklamiert. Wir wissen auch nicht, was die Attentäter von Paris lasen, bevor sie zu den Waffen griffen und zwölf Menschen töteten. Doch einer der Täter soll von Al Qaida im Jemen trainiert worden sein, und im Mai 2013 zeigte „Inspire“ ein Foto von Stéphane Charbonnier, der als Charb die Redaktion von „Charlie Hebdo“ leitete und am Mittwoch mit drei weiteren Zeichnern des Blattes erschossen wurde.

          Sein Konterfei stand unter der Überschrift „Wanted Dead or Alive“ neben Bildern von Salman Rushdie, des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard und weiteren als „Zielpersonen“ Markierten, daneben eine Grafik, die einen Kopfschuss darstellte, und der Slogan: „A bullet a day keeps the infidel away“. Inzwischen kursiert auf Youtube ein Video des Dschihad-Ideologen Anwar al Aulaqi, in dem das Fahndungsbild von Charb in „Inspire“ abermals zu sehen ist: mit roter Farbe durchgestrichen.

          Mit einfachen Mitteln

          Seit 2010 produziert Al Malahem das englischsprachige Dschihadisten-Magazin „Inspire“ und verbreitet es als PDF-Datei im Internet. Im Dezember ist die dreizehnte Ausgabe erschienen. Sie hat dasselbe Ziel wie alle ihre Vorgänger: die Radikalisierung junger Muslime und ihre Anleitung zum Massenmord. „Inspire“ ruft vor allem zu Anschlägen in den Vereinigten Straßen auf. Ein Detail im neuesten Heft kann als Hinweis auf die Attentate in der französischen Hauptstadt gedeutet werden: Auf einer Doppelseite, die wie auf einem Schreibtisch Texte und Bilder zu einer Sammlung von „Notizen eines Mudschahed“ arrangiert, ist auch ein französischer Reisepass zu sehen. Er liegt neben Notizen, die Attacken islamistischer Einzeltäter auflistet, die – so wohl die intendierte Aussage – mit einfachen Mitteln Schrecken und Tod in Städte des Westens brachten. Der Axt-Angriff auf einen amerikanischen Polizisten und die Geiselnahme von Sidney werden zu vorbildlichen Aktionen stilisiert. Auf einer ganzseitigen Fotomontage ist ein junger Mann in muslimischer Gebetshaltung zu sehen. Neben ihm steht ein Schnellkochtopf als Hinweis auf die Bomben, welche die Attentäter beim Anschlag auf den Marathon von Boston einsetzten.

          Jeden in die Lage zu versetzen, mit einfachen Mitteln Sprengsätze mit größtmöglicher Zerstörungskraft zu bauen und junge Muslime davon zu überzeugen, diese auch einzusetzen, darum geht es „Inspire“. Die zweite Hälfte des knapp sechzigseitigen Dezemberheftes ist konsequent dem gewidmet, was bei der Vorbereitung der jüngsten Ausgabe – heißt es im Editorial – so viel Zeit gekostet hat. Von Doppelseite zu Doppelseite erfährt der Leser Schritt für Schritt nach dem Muster eines modernen Kochbuchs, wie er mit Zutaten aus Küche und Keller eine Bombe baut, die Spuren seines Tuns optimal verwischt, wie er mit dem Sprengsatz an der Sicherheitskontrolle im Flughafen vorbeikommt, wo er ihn am besten plaziert, wie er ihn zündet. Abgebildet ist ein Passagierflugzeug, das von einer Detonation zerrissen wird. Der potentielle Attentäter erhält den Ratschlag, er solle sich, habe er es einmal mit dem Sprengsatz ins Flugzeug geschafft, entspannen. Auch wenn der Anschlag misslinge, sei er schon ein Held des Dschihad.

          Ein Ziel ist bereits erreicht

          Dass der Terrorist selbst sterben wird, thematisiert „Inspire“ nie explizit, die vermeintlichen „Märtyrer“, denen die Leser nacheifern sollen, erscheinen als Helden. Willkommen sind idealisierende Formulierungen wie die „Schlacht von Marathin“. So werden feige Morde ins Mythologische überhöht. Mit seiner Anmutung folgt das Magazin der Manipulationsregel, dass die äußere Erscheinung schon zur Glaubwürdigkeit beiträgt. „Inspire“ ist aufgemacht wie eine Hochglanzpublikation, mit moderner Typographie und großzügigem Layout. Als Online-Ressource im Magazinlayout erspart das Blatt seinen Nutzern, sich Informationen auf vielen Websites zusammen zu suchen und gibt sich offiziell. Hinter der optisch kühlen Fassade, die Gewaltdarstellungen meidet, verbirgt sich eine Schule des Hasses.

          Immer wieder wird den Lesern die Botschaft eingehämmert, die „Ungläubigen“ hätten den Tod verdient. Dass das leicht im Internet zu findende Magazin den Sicherheitsbehörden demonstriert, wer alles auf den Todeslisten der Extremisten steht, wie leicht sie Bomben bauen können und dass keiner in den Jemen reisen muss, um das Gedankengut von Al Qaida aufzunehmen, registriert „Inspire“ mit Genugtuung. Eine Presseschau versammelt Stimmen internationaler Zeitschriften als Beleg dafür, ein Ziel schon erreicht zu haben: Angst zu verbreiten.

          Weitere Themen

          Nein, nichts ist schön!

          Theater in Berlin : Nein, nichts ist schön!

          Zur Wiederwahl des türkischen Präsidenten: Im Berliner Maxim Gorki Theater wird an die Gezi-Park-Proteste in Istanbul vor zehn Jahren erinnert.

          Topmeldungen

          „Diese Männer haben zuerst an ihr Land gedacht in einer Zeit, in der ihr Land nicht an sie gedacht hat“: amerikanische Soldaten, von den Deutschen im Dezember 1944 in Belgien gefangen genommen.

          SS-Massaker an Schwarzen : Das Schicksal der „Wereth 11“

          Im Zweiten Weltkrieg ermordete die SS elf schwarze US-Soldaten in einem belgischen Dorf. Lange interessierte sich niemand für die „Wereth 11“, nicht einmal die eigene Armee. Erst eine mutige Familie brachte die Wende.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.