Wir kannten sie
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Machen Sie eine typische Handbewegung: Angela Merkel Anfang November in Bremerhaven Bild: Picture Alliance / dpa / Tim David Müller-Zitzke
Mehr als Dreiviertel ihrer Regierungszeit stand im Zeichen gesamteuropäischer Krisendiagnosen. Die Kanzlerin hatte wenig Zeit zum Ausruhen. Woran werden wir uns erinnern? Auftakt zu unserer Serie „Mensch Merkel“.
In der modernen Gesellschaft kommt sich jede Zeit außerordentlich vor. Ein Vokabular für diese Außerordentlichkeit ist das der Krise. Ständig leben wir angeblich in einer oder mehreren Krisen zugleich. Mitunter heißt es sogar, so viele Krisen und – nicht ganz dasselbe – so viel und so schnellen Wandel wie heute habe es noch nie gegeben. Das ist nicht nur interessant, weil gleichzeitig ständig gesellschaftlicher Stillstand diagnostiziert wird. Das wirft auch Messprobleme auf. Vor fünfzig Jahren beispielsweise gab es die Ölkrise, die Stagflation (Abschwung samt Inflation), die Legitimationskrise im Spätkapitalismus, die „Grenzen des Wachstums“, die der Club of Rome diagnostizierte, und es gab den Terrorismus von links samt Radikalenerlass und Rasterfahndung. Die Änderungsgeschwindigkeiten der Zeit nach 1945 für alle oder für Teile der Bevölkerung nach 1989 sind dann noch gar nicht in den Vergleich einbezogen.
Wenn Angela Merkel ihre Zeit als Kanzlerin jetzt geschäftsführend beendet, werden in den Rückblicken vor allem die Krisen aufgezählt, mit denen sie es zu tun hatte. Sie gilt als die Kanzlerin der permanenten Krisensitzungen. In der Finanzkrise von 2008 nach der Insolvenz der Lehman-Bank, in der Euro- und Staatsschuldenkrise von 2010 an nach der drohenden Insolvenz Griechenlands, in der Flüchtlingskrise 2015, in der Pandemie der vergangenen beiden Jahre. Nimmt man den russischen Überfall auf die Krim, die islamistischen Anschläge und die Nullzinspolitik der EZB hinzu, so standen dreizehn von sechzehn Jahren der Kanzlerschaft Merkels ganz im Zeichen von gesamteuropäischen Krisendiagnosen. Sie hatte wenig Zeit zum Ausruhen.
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