Anfrage an die NSA : Er kam, um sich zu beschweren
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Feuer, Pfeife, Stanwell? Sebastian Christ braucht nur eins: Aufklärung Bild: Marc Röhlig
Was passiert, wenn man bei der NSA Einsicht in die eigenen Akten fordert? Der Autor Sebastian Christ hat es getestet: Unter Berufung auf den „Freedom of Information Act“ hat er bei sechs amerikanischen Geheimdiensten nachgefragt.
Sie könnten eine ganze Menge Informationen über ihn gesammelt haben - über seine Zeit bei der Bundeswehr, das Studienjahr in Washington, seine Reisen nach Afghanistan als freier Journalist, die politischen Diskussionen mit Freunden auf Facebook, private Nachrichten über Googlemail. Wie viele Einzelheiten die amerikanischen Geheimdienste aber tatsächlich über ihn erfasst haben, das weiß Sebastian Christ nicht, obwohl er versucht hat, es herauszufinden.
Unter Berufung auf den „Freedom of Information Act“ (FOIA), der eigentlich jedermann Einsicht in seine Akten gewähren soll, hat er im vergangenen August sechs Geheimdienste angeschrieben: das Federal Bureau of Investigation (FBI), die Central Intelligence Agency (CIA), die Defence Intelligence Agency (DIA), den Defense Security Service (DSS), den Secret Service (USSS) und die National Security Agency (NSA).
In den darauffolgenden Wochen hat er zwar Antworten bekommen, aber keine Auskünfte. Eine lautete: „Sehr geehrter Herr Christ, aus Gründen der nationalen Sicherheit können wir Ihnen weder die Existenz noch die Nicht-Existenz Ihrer Akte bestätigen.“ (Antwortbrief des FBI vom 3. September 2013)
„Natürlich habe ich etwas zu verbergen“
Sebastian Christ geht großzügig mit seinen Daten um, wie viele seiner Altersgenossen. Der Dreiunddreißigjährige lebt als freier Journalist und Buchautor in Berlin, Öffentlichkeit gehört zu seinem Geschäft. Wer etwas über ihn herausfinden möchte, muss nur seinen Namen bei Google eingeben. Sein berufliches Facebook-Profil ist öffentlich sichtbar, inklusive postalischer Anschrift. Sein Lebenslauf ist als Autorenprofil auf der Homepage eines Verlags publiziert. Über seinen letzten Urlaub, eine Wanderung durch Deutschland, hat er einen Weblog geführt. Allerdings sind all das Informationen, die er bewusst teilt. „Natürlich habe ich trotzdem etwas zu verbergen - wie jeder, der ein Privatleben hat!“
Vom Defense Security Service bekam er am 16. September 2013 diese Antwort: „Sehr geehrter Herr Christ, eine Durchsuchung aller Datenbanken des Defense Security Service, von denen einigermaßen wahrscheinlich anzunehmen wäre, dass sie Ihre Anfrage betreffen, hat keine Akten ergeben, die Ihre Person betreffen. Wenn Sie dennoch glauben, dass Akten über Sie existieren, senden Sie uns bitte eine Anfrage und begründen Sie, warum der Defense Security Service Informationen über Sie haben sollte und welche Abteilung diese Informationen haben könnte.“
Schweigemauer aus „diversen Statuten“
Es ist wohl unmöglich zu wissen, ob die Datensammelwut der Geheimdienste das eigene Leben beeinflusst, weil man nie die alternativen Versionen kennt. Zum Beispiel 2010 in Afghanistan: Sebastian Christ war in das Land gereist, um ein Buch über den Krieg zu schreiben. Nach einem langen Gespräch hatte eine amerikanische Presseoffizierin ihm versprochen, dass er als erster westlicher Journalist die afghanische Armee im Einsatz begleiten dürfe. „Später ließ sich die Frau gut ein Dutzend Mal verleugnen. Ich schrieb viele lange, bohrende Mails an das Public Affairs Office. Irgendwann bekam ich keine Antwort mehr.“ Hatte dem amerikanischen Militär vielleicht eine seiner privaten E-Mails oder Facebook-Nachrichten an Freunde zu Hause nicht gepasst? Von den Sicherheitsbehörden hat er es nicht erfahren.
„Sehr geehrter Herr Christ“, schrieb ihm die NSA am 20. September 2013, „das Informationsfreiheitsgesetz findet keine Anwendung bei Fällen, die im Sinne der Nationalen Verteidigung oder im Interesse der ausländischen Beziehungen geheim gehalten werden müssen. Darüber hinaus ist unser Dienst aufgrund diverser Statuten berechtigt, bestimmte Informationen, die seine Aktivitäten betreffen, geheim zu halten.“
Ein Facebook-Austritt ist keine Lösung
Sebastian Christ holte sich im vergangenen Jahr Rat bei einem Anwalt, er wollte eine Verfassungsbeschwerde anstreben. Doch die Besprechung fiel entmutigend aus. „Sie müssen nachweisen können, dass Sie selbst betroffen sind“, habe ihm der Jurist erklärt. „Sie müssen Belege dafür haben, dass Sie abgehört wurden. Dokumente, Protokolle. Und die haben Sie nicht.“ Die Snowden-Enthüllungen allein würden dazu nicht ausreichen. „A Catch-22“, würde man in Amerika wohl sagen - ein unlösbares Problem.
Sebastian Christ hat keine Beschwerde geschrieben, sondern seine Erfahrung mit dem Informationsfreiheitsgesetz in einem Essay zusammengefasst, der nun als eBook erschienen ist. Bei Facebook ist er übrigens immer noch - einerseits aus Fatalismus, weil er wahrscheinlich ohnehin davon ausgehen müsse, dass alles aufgezeichnet werde und man „aus der Sache eh nicht mehr rauskommt“. Andererseits nutzt er das Portal aus einer Art „Jetzt-erst-recht“-Haltung bewusst für politische Diskussionen. „Denn das ist für mich der erste Punkt, wo die Einschränkung von Meinungsfreiheit anfängt - bei der Selbstzensur.“