Das Italienische am Papst : Er weiß, was er tut
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Der neue Papst Franziskus: Er sei gerührt von der Einfachheit dieses Mannes, ließ der kommunistische Staatspräsident Napolitano verlauten. Bild: dapd
Papst Franziskus ist ein Nachfahre einfacher italienischer Bauern und besitzt auch deshalb ein großes historisches Bewusstsein für sein Amt. Er scheint sehr genau zu wissen, was er will und tut.
Einfache Leute - das waren die Bergoglios, die in den Hügeln nördlich von Asti wie so viele Italiener im jungen Königreich als Bauern, Winzer, Tagelöhner nur schwer ihre großen Familien über die Runden bringen konnten und darum auf Wanderung gingen. Einer von ihnen, Giovanni Angelo Bergoglio aus dem Örtchen Portacomaro hatte sechs Kinder. Ein Sohn wanderte, um der grassierenden Armut zu entgehen, nach Argentinien aus und landete bei der Eisenbahn. Dessen Sohn Jorge Mario, einfaches Kind einfacher Leute, ist jetzt Papst. Und wenn bei seiner Namenswahl gewiss der Armenheilige aus Assisi sowie die beiden streitbaren Jesuitenheiligen Francisco de Borja und Francisco Javier mitschwingen, so sollte man den Eisenbahner Mario Bergoglio dabei nicht vergessen; mit seinem dritten Vornamen hieß der Vater des Papstes nämlich Francesco.
In Italien muss man eine solche Familiensaga der Entbehrungen in der Ferne niemandem erklären. Kaum eine Sippe, die unter ihren Vorfahren nicht einen der Millionen von Migranten zählt, die einst nach Nord- und Südamerika auswanderten und oft nicht mehr mitnahmen als ihren Glauben. Sogar den piemontesischen Heimatdialekt und die Lieder der Auswanderer soll der neue Papst noch beherrschen.
Heimaterde aus Uropas Garten
Da ist es kein Wunder, wenn der Bürgermeister der piemontesischen Provinzstadt Asti den neuen Pontifex sogleich allerherzlichst in die Ahnenheimat einlädt. Und in Turin hofft man schon auf einen Besuch am 30. März anlässlich der Zurschaustellung des vermeintlichen Leichentuchs „Sindone“. Vor einer Woche hatte es allerdings noch ganz anders geklungen, als die Organisation der „Auswanderer aus Asti in aller Welt“ den Kardinal eingeladen hatte. Da hatte der linke Sozialassessor von Asti den Kirchenmann aus Buenos Aires wegen dessen ungeklärter Verwicklungen ins Terrorregime der Militärdiktatur noch als unerwünschte Person beschimpft. Bergoglio ficht das sicher nicht an. Beim letzten Konklave bereits hatte er Portacomaro einen Besuch abgestattet und ein Säckchen Heimaterde aus Uropas Garten nach Buenos Aires mitgenommen.
Die Kurie hat keinen ihrer Italiener, die Nation keinen ihrer Papabili auf den Stuhl Petri hieven können. Und Italiens linientreuster Vatikanologe, der Publizist Vittorio Messori, beteuert denn auch, dass er diesen Ausgang hat kommen sehen und nur nicht publik machte, „um dem Heiligen Geist nicht vorzugreifen“.
Große Gewandtheit
Nach Messoris fundierter Analyse waren weder die kurialen Intrigen noch das vatikanische Finanzimperium, noch der Päderastenskandal so entscheidend, wie das Außenstehende und Medien geglaubt hatten. Vielmehr habe die Panik vor der millionenfachen Abwanderung südamerikanischer Katholiken zur missionierenden Konkurrenz der Evangelikalen den Ausschlag gegeben. Er sei gerührt von der Einfachheit dieses Mannes, ließ der kommunistische Staatspräsident Napolitano verlauten, der seinerseits in der alten Papstresidenz auf dem Quirinal im größtmöglichen Luxus residiert.
Doch man sollte sich nicht täuschen. Papst Franziskus, der hinter der milden Maske eines barmherzigen Hirten immer auch ein sturer piemontesischer Bauer geblieben ist, tut aus dem Stand alles mit subtiler Kenntnis des historisch-sakralen Bedeutungsfelds, das Rom unsichtbar überzieht. Sein Gebet vor der Ikone „Salus populi romani“ ist nicht nur ein symbolischer Akt zugunsten seines neuen Bistums; eine Kopie dieses Madonnenbildes nahmen auch die Jesuitenmissionare auf ihre Reisen in den Fernen Osten mit. Es sieht also ganz so aus, als hätten die Granden der katholischen Christenheit hier einen Mann erwählt, der sehr genau weiß, was er will und was er tut.
Der erste Franziskanerpriester in Santa Maria Maggiore, der seinen Oberhirten traf, berichtete hinterher noch, auf ihn habe dieser simple, bescheidene Mann „mehr wie ein Pater als wie ein Papst“ gewirkt. Doch die gewiefteren Kurialen im Vatikan, die schon vieles erlebt haben, berichten von der kompletten Gewandtheit des frischgewählten Franziskus: „Er war vom ersten Moment an der perfekte Papst.“ Rollenspiel? Persönlichkeitsspaltung? Oder doch ein sehr konkreter Plan? Gerade einfache Leute können sehr komplex sein im Geiste.