
Ritter in Corona-Zeiten? : Der gefährliche Freund
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Wäre die Tafelrunde, hier zu sehen auf einem Druck aus dem neunzehnten Jahrhundert, der reinste Infektionsherd? Bild: Picture-Alliance
Höfische Seuchenprävention: Da die Infektionszahlen nicht deutlich genug sinken, gelten jetzt neue Kontaktregeln. Könnte uns König Artus mit seiner Tafelrunde dabei ein Vorbild sein?
Es soll Menschen geben, die auf eine Renaissance des Keltentums ebenso warten wie auf die Rückkehr von König Artus, „rex quondam, rexque futurus“, wie die Aufschrift auf seinem Grab gelautet haben soll. Wie es mit dem früheren König in der realen Welt ausgesehen hat, sei dahingestellt, die Quellen sind da recht dürftig. Aber der künftige König müsste sich auf einiges gefasst machen, falls es ihm einfiele, seine Rückkehr ausgerechnet in unsere Zeit zu verlegen. Zumindest sollte er nicht einfach so weitermachen wie zuvor.
Denn die Bilanz seines Hofes ist, was die Seuchenprävention angeht, allenfalls durchwachsen. Auf der Habenseite stehen immerhin die Rüstungen der Artushelden, die schon Jahrhunderte, bevor die erste FFP2-Maske angelegt wurde, mit einem Visier ausgestattet waren. Doch der enge Kontakt an der Tafelrunde und der gemeinsame Griff in die Schüssel machen das wieder zunichte. Von der ewigen Gralssuche ganz zu schweigen, die im Lockdown jedenfalls kaum in einem Umkreis von gerade einmal fünfzehn Kilometern rund um Camelot zu bewerkstelligen ist.
Superspreader Gawain
Höchst problematisch wird das arthurische System aber erst durch Gawain, den Lieblingsneffen des Königs. Er ist der Musterritter des Hofs, jeder Knappe träumt davon, so zu werden wie er, und weil es von ihm so viel zu berichten gibt, hat er seinen festen Platz in jedem der vielen Romane, die von König Artus berichten. Dabei fällt dem äußerst gewinnend auftretenden Ritter immer dieselbe Rolle zu: Wenn der eigentliche Held des jeweiligen Romans an den Artushof gelangt, ist es Gawain, der ihn herzlich begrüßt, ihm Orientierung in der verwirrenden Welt der Ritter verschafft und schließlich zu seinem besten Freund wird. Dabei stiftet er auch Unheil, ohne es zu wollen, etwa wenn er den neuen Freund Iwein vor dem Schicksal seines schon etwas älteren Freundes Erec warnt, der einst durch Stubenhocken seinen ritterlichen Ruf verspielt und diesen erst durch eine ausgedehnte Abenteuerfahrt zurückgewonnen hatte.
Für unsere Gegenwart heißt das: Gawains Qualitäten als Allerbester Freund im Merkel’schen Sinn sind genau das, was wir benötigen, um den Lockdown-Regeln zu genügen, die außerhalb des Haushalts genau eine Kontaktperson vorsehen. Wenn aber dieser Allerbeste Freund nicht nur unserer ist, sondern den Kopf ebenso vertraut mit sämtlichen Rittern des Artushofs zusammensteckt, wird aus der zertifizierten Kontaktperson rasch ein Infektionsherd. Immerhin hat Camelot auch dafür eine Lösung parat: Neben dem König, der Königin und dem gefälligen Gawain gibt es dort noch eine vierte Person, die in jedem Ritterroman auftaucht. Es ist der ewig missgünstige Kaye, der ebenso sicher jeden Neuankömmling angreift, wie dieser von Gawain bezaubert wird.
Was Kaye da reitet, ist unklar, als Allerbester Freund im epidemiologischen Sinne scheint er aber eine gute Wahl, schließlich kann ihn sonst keiner leiden. Fast keiner. Im „Erec“ sieht man ihn Arm im Arm ausgerechnet mit Gawain. Wahrscheinlich sollte Artus mit seiner Wiederkehr lieber noch etwas warten.
