Computerspiele : Wenn Kinder Mörder spielen
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Frei zum Abschuss: Monster aus „Doom III” Bild: AP
Computerspiele, die brutalen, vermeintlich coolen zumal, sind für Eltern eine Prüfung: Was soll man seinem Kind erlauben? Wo beginnt die Gefahr und wann die Verformung der Kinder? Der Kriminologe Christian Pfeiffer weiß Antworten.
Computerspiele, die brutalen, vermeintlich coolen zumal, sind für Eltern eine Prüfung: Was soll man seinem Kind erlauben? Wo beginnt die Gefahr und wann die Verformung der Kinder? Der Kriminologe Christian Pfeiffer weiß Antworten.
Sie haben etliche sogenannte Killerspiele analysiert. Was sind Ihre Befunde?
Ich kann die Alterseinschätzung der Freiwilligen Selbstkontrolle nur zu einem Drittel nachvollziehen. Bei vielen Spielen sind wir der Ansicht, dass eine sehr viel strengere Bewertung nötig gewesen wäre. Häufig hätten Spiele auch ganz vom Markt genommen werden müssen. Mir scheint es nötig, unsere Freiwillige Selbstkontrolle grundlegend zu reformieren.
Was wollten Sie herausfinden?
Die Wirkung von gewaltverherrlichenden Computerspielen, die wir in mehreren Studien untersucht haben. Dabei standen die Schulleistung und die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt. In Berlin läuft seit zwei Jahren eine Studie, in der wir tausend Kinder bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr begleiten. Hier wollen wir überprüfen, ob die Hypothese stimmt, dass zu viel Medienkonsum bei Kindern dazu führt, dass sie dicker werden, kränker, aggressiver und schlechter in der Schule.
Gibt es erste Erkenntnisse?
Ja. Kinder, die schon beim Start der Studie vor zwei Jahren eigene Bildschirmgeräte im Zimmer stehen hatten und es deswegen auf eine besonders hohe Medienzeit brachten, sind heute häufiger übergewichtig und haben schlechtere Noten als diejenigen, die nach wie vor über keine Geräte verfügen. Mit der Aggressivitätsmessung haben wir noch nicht begonnen, weil die Kinder hierfür noch zu jung sind.
Aber wir haben ein Experiment mit identisch zusammengesetzten Gruppen von jungen Erwachsenen durchgeführt. Dabei kam heraus: Wer zunächst Tischtennis spielte, hatte beim anschließenden Konzentrationstest mit leichten Mathematikaufgaben um fünfzig Prozent besser abgeschnitten als die Vergleichsgruppe, die sich in derselben Zeit intensiv auf ein brutales Computerspiel eingelassen hatte. Das bestätigt die Hypothese: Sehr gewalthaltige Computerspiele haben eine problematische Wirkung auf Schulleistungen, weil die emotionale Wucht der Spiele die Kinder massiv belastet. Was sie vorher gelernt haben, droht im Kurzzeitgedächtnis vergessen zu werden. Und im Anschluss an das Computerspiel braucht das Kind lange, um sich wieder konzentrieren zu können.
So ist es kein Wunder, dass die vier Verlierergruppen, die wir bei Pisa identifiziert haben, durchweg deutlich mehr Zeit mit Computerspielen verbringen als andere: also Jungen mehr als Mädchen, Norddeutsche mehr als Süddeutsche, Ausländerkinder mehr als Deutsche und Unterschichtskinder mehr als Mittelschichtskinder. Die Pisa-Verlierer haben durchweg mehr eigene Geräte im Zimmer stehen und nutzen diese wesentlich öfter. Die Empfehlung lautet deshalb ganz klar: Im Kinderzimmer haben Fernseher und Computerspiele nichts zu suchen, da die Verfügbarkeit zu einem wesentlich höheren und inhaltlich problematischeren Konsum verführt.
Trifft es zu, dass Jugendgewalt durch Gewaltspiele zunimmt?
Es gibt keine monokausale Beziehung vom Killerspiel zur Gewalt oder gar zum Amoklauf. Das ist wie beim Rauchen: Kettenraucher haben ein um vierzehn Prozent höheres Risiko, später an Lungenkrebs zu sterben - aber nicht jeder Raucher stirbt daran. Auch hierbei geht es um Risikoerhöhung: Kinder, die sich massiv auf Gewaltspiele einlassen, gefährden ihre Sensibilität für die Leiden von Opfern. Die Hirnforschung sowie psychologische Experimente haben eindeutig aufzeigen können, dass das intensive Spielen zu Abstumpfungseffekten führt, zu einer Abnahme von Empathie.