Chris Howland gestorben : Mister Pumpernickel
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Eine Epochenfigur: Chris Howland in dem Film „1000 Sterne leuchten“ Bild: dpa
Chris Howland war eine der prägenden Radiostimmen - nicht nur der sechziger Jahre. Jetzt ist der Schlagersänger und Entertainer im Alter von 85 Jahren gestorben. Mit ihm endet eine Epoche.
„Leg was auf die hohe Kante“ – dunkel erinnert man sich, dass dies der landläufige Begriff für Sparen war. Folgt „Und aus meinem Bargeld wurde lauter Spargeld“ ist vollends klar, dass die Spanne zwischen unserer Eurokrisen-Ära und dem Wirtschaftswunder, das Chris Howlands „Hämmerchen-Polka“ karikierte, so weit ist wie die zwischen Steinbeil und Computer. Trotzdem reagiert man auf den Tod des Entertainers so bestürzt, als habe er erst unlängst seinen launigen Hit geradebrecht. Denn wie beim Ableben Paul Kuhns wird klar, dass eine Epoche endet, deren vordergründig so harmlose Unterhaltung uns und unser Land nachhaltiger geprägt hat, als wir glauben möchten.
Im Jahr 1952 sprach der in London geborene Sohn eines BBC-Redakteurs beim damaligen NWDR vor. Seine Referenz: vier Jahre Chefsprecher und Leiter der Musikabteilung des Radiosenders der Britischen Armee BFN. Dass er zuvor in Südengland Imker gewesen war, spielte keine Rolle, sagt aber viel über die Gelassenheit, die er selbst in turbulentesten beruflichen Situationen ausstrahlte. Man engagierte Howland als „Schallplatten-Jockey“, um dem BFN die Jugendlichen abspenstig zu machen, die dessen Musikprogramme bevorzugten. Chris Howland aber gewann alle Deutschen. Sein kauziger Akzent, seine knarzende Stimme, vor allem aber seine oft derbe Ironie machten ihn sofort populär. So populär, dass schon 1954 „Opas Kino“ zugriff. Ein Glücksfall für Howland. Denn nun konnte er Gesicht und Figur nutzen, um den spleenigen, mit Basset-Hound-Zügen geschlagenen Engländer von der traurigen Gestalt zu geben.
Ob 1956 in „Verlobung am Wolfgangsee“ als englischer Tolpatsch oder später als „Lord Tuff Tuff“ oder „Butler Archie“ der Karl-May-Filme – Howland bot trockenen Humor und das Achselzucken des kleinen Mannes. In seinen besten Szenen ein Monty Python der Nierentisch-Ära, aber immer ein Pendant der „Du und ich“-Aura eines Heinz Erhardt und Heinz Rühmann, stärkte der Engländer das Selbstvertrauen des Durchschnittsdeutschen, zeigte, dass kein Biedermann nur bieder sei. Das gilt selbst für Howlands eigentlich banale Hits: Wie die Republik sich und ihre Sparsamkeit bei seiner „Hämmerchen-Polka“ belachte, feixte sie, sich selbst erkennend, wenn er in „Das hab ich in Paris gelernt“ das englische „No Sex please, we are English“ europäisierte oder mit „Die Mutter ist immer dabei“ kleinbürgerliches Schwiegersohn-Leid als beiderseits des Ärmelkanals gültig sang.
„Heinrich Pumpernickel“ nannte der Entertainer sich, als er 1961 nach einem Engagement in Englands erster Talkshow nach Köln zurückkehrte. Witzgarantie – und genialer Coup der Integration, musste ihm doch das Brot so abstrus sein wie Englands Plumpudding für die Deutschen. Familienanschluss errang „Mr. Pumpernickel“, als er im Fernsehen „Musik aus Studio B“ moderierte und witzelnd internationales Flair in den deutsche Schlager schleuste. Dann balancierte er als Pionier von „Vorsicht Kamera“ souverän zwischen britischem Brachialhumor und englischer Dezenz – Welten entfernt vom feixenden Comedy-Style der heutigen Version. Über sie hat Chris Howland, bis zuletzt tätig, sich nicht geäußert. Am vergangenen Samstag ist er im Alter von 85 Jahren gestorben.