China und Afrika : Der Westen liefert nur noch die Logos
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Leichter gesagt als getan. „Afrika“ sei für Europa laut van Staden nur als kolonialisierte Zone vorstellbar, und wenn Europa nicht selber der Kolonialisator sei, dann weise es sich die Rolle als Beschützer vor dem Kolonialismus anderer zu. Die eigentliche Frage sei, inwiefern die veränderte Konstellation Afrika instand setzt, sich selbst zu artikulieren. Ähnlich formuliert es die sambische Künstlerin Anawana Haloba in ihrem Animationsfilm „A Dragon King at Sleepy Pride Rock“. Sie zitiert das Lied „Großes Peking, wir singen für dich, du bist das Herz aller Nationen“, das sambische und tansanische Zugführer sangen, als China in den sechziger und siebziger Jahren eine zweitausend Kilometer lange Eisenbahnstrecke baute; doch dann schließt sie neue Verse an: „Sie haben kein Lied über dich gemacht / Diejenigen, die es einmal singen werden, sind noch nicht geboren.“
Die Projektemacher werden zu Komplizen
Wie kann man dann überhaupt über China-Afrika von Europa aus reden, ohne sich selbst wie in Hegemonialzeiten für den Nabel der Welt zu halten? Vielleicht wie die „Kinshasa Collection“, ein zwischen Realität und Fiktion, Internet und analoger Veranstaltung changierendes und ebenfalls von Berlin ausgehendes Projekt, dessen erster Teil seit zwei Tagen online zu besichtigen ist. Das eigentliche Thema dieser fünfteiligen Webserie ist das Projektemachen selbst, und wie die wohlmeinende Bewusstseinsindustrie immer schon in ihre Gegenstände verwickelt ist.
Ein Filmteam bewirbt sich bei einer nicht weiter spezifizierten Bundesagentur für das ausgeschriebene Projekt „Afrika auf Augenhöhe“ mit der Idee, Kinshasa als Stadt der Mode vorzustellen. Das gefällt den Geldgebern am Potsdamer Platz gut: „Creative Industries, und das im Kongo, im Herzen der Finsternis ...“ Das Team muss jedoch noch einen Trailer in Kinshasa erstellen, wo die dortigen Designer sie auf einen Einkaufstrip zu ihren Partnern in das afrikanische Viertel von Guangzhou mitnehmen. Unterdessen wird das Filmteam wegen des Verdachts auf Produktpiraterie disqualifiziert, weshalb sie selber ins Geschäft einsteigen und am 25. August schließlich eine in Kinshasa entworfene und in Guangzhou gefertigte Modelinie im Berliner Haus der Kulturen der Welt vorstellen werden. So machen sich die Projektemacher selbst zu Komplizen dieser chinesisch-afrikanischen Selbstbehauptungsverschwörung mittels Enteignung früherer westlicher Dominanz-Zeichen, sprich: Marken. Dass sie das tun, um sich selbst über Wasser zu halten, ist natürlich eine Fiktion – in Wirklichkeit werden auch sie weiterhin von der Bundeskulturstiftung gefördert.
Auch das Goethe-Institut, eine weitere staatliche Institution, ist beteiligt, doch was der Filmemacherin Dorothee Wenner und der Produktionsfirma pong Film da gelungen ist, unterläuft auf intelligente und lustige Weise alle bisherigen offiziellen Annäherungen an den sogenannten Kulturdialog. Leitend für ihre nichtlineare Herangehensweise ist das Prinzip „kizoba zoba“, das auf Lingala die Patchwork-Methode bezeichnet, mit der Fashionistas alle möglichen Flicken und Stile zusammensetzen, bis sie ihnen gefallen. Stilbildend sind in Kinshasa dabei die „Sapeure“, Menschen, die sich schon in Kolonialzeiten durch verschwenderische Mode von ihrem materiellen Elend absetzten. Früher gab ihnen der Zugang zur Garderobe ihrer kolonialen Dienstherren die Möglichkeit dazu – und heute der Zugang zu den chinesischen Produktionsstätten der westlichen Marken, in denen nach Dienstschluss immer auch billigere Versionen abfallen. Manche Modehändler, die das Berliner Team in Kinshasa antraf, sind als aufgebrezelte „ambulante Boutiquen“ auf belebten Plätzen und bei Facebook unterwegs; sobald Passanten sie begeistert auf ihre Garderobe ansprechen, bestellen sie über das Handy die entsprechenden Teile bei ihren Partnern in Guangzhou, die sie dann innerhalb weniger Tage in den Kongo schicken. So funktioniert jenseits der Haupt- und Staatsaktionen eine Globalisierung, bei der der Westen nur noch die Logos liefert.