China und Afrika : Der Westen liefert nur noch die Logos
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Auch dieser Film stellt keine These auf; er beschränkt sich auf die neugierig-scheuen, mal verschreckten, mal bewundernden Blicke des jungen Manns innerhalb der abgezirkelten Geometrie der ihm verschlossenen blitzblanken Bauten. Diese Blicke und diese Geometrie sind ein Bild für das Einschüchterungspotential, das die „Moderne“ auch heute noch besitzen kann – und dafür, dass viele Afrikaner diese Moderne nicht, wie bisher selbstverständlich, zuerst mit dem Westen assoziieren, sondern mit China. Als Jack Ma, der Chef des chinesischen Internetkaufhauses Alibaba, vor zehn Tagen Kenia und Ruanda besuchte, schlug ihm laut den Berichterstattern von „Quartz“ eine größere Verehrung entgegen als im Jahr zuvor Mark Zuckerberg.
Eine solche Einstellung spiegelt auch die Straßenumfrage, die der nigerianische Fotograf Opeyemi Balogun in Lagos gemacht hat. In einem Fernseher, der in einem englisch und chinesisch beschrifteten Frachtkarton steckt, kann man sehen, was den Leuten einfällt, wenn sie nach China gefragt werden. „China ist überall in der Welt“, sagt eine Übersetzerin, eine Lehrerin meint: „Sie sind sehr gut in allem, was sie tun, sie versorgen uns mit Jobs“, und ein Arzt findet sogar: „Man ist privilegiert, Teil dieses Prozesses zu sein.“ Solche Meinungen scheinen einigermaßen repräsentativ zu sein: Eine aktuelle Untersuchung von „Afrobarometer“ fand heraus, dass 63 Prozent der Afrikaner den chinesischen Einfluss für positiv halten. Doch die Auskünfte lassen zugleich erkennen, dass offenbar kaum jemand eine spezifische Erfahrung mit den Menschen vom anderen Kontinent gemacht hat. Zwei Millionen Chinesen leben mittlerweile in Afrika, zehntausend chinesische Firmen sind dort tätig (neunzig Prozent davon privat), zwischen hunderttausend und fünfhunderttausend wird die Zahl der in China lebenden Afrikaner geschätzt – und doch scheint das Verhältnis nach wie vor von viel Unkenntnis und Fremdheit geprägt zu sein. Mit ideologischen Fragen im engeren Sinn, wie sie etwa die Zusammenarbeit Chinas mit Potentaten oder seine Politschulungen für afrikanische Funktionäre aufwerfen, beschäftigt sich die Ausstellung ausdrücklich nicht. Doch die weithin verbliebene Fremdheit wird da durch den unbekümmerten Rassismus dokumentiert, der aus einer chinesischen Waschmittelwerbung sprach (eine junge Chinesin stürzt einen Afrikaner kopfüber in eine Waschmaschine, und heraus kommt glücklich ein Chinese). Und van Staden berichtet in einem Magazin des Johannesburger Workshops, dass es Gerüchte, China exportiere Menschenfleisch in Dosen, bis in afrikanische Zeitungen gebracht hätten; China sei für Afrika weiter der „große Unbekannte“.
Ist Afrika für Europa nur als kolonialisierte Zone vorstellbar?
Das scheint auch für die Beobachter zu gelten, die sich die Beziehung von außen anzusehen versuchen. Das Video „The Letter“ der Künstlerin Bodil Furu aus Oslo dokumentiert vor allem die Vergeblichkeit ihres Bemühens, mit Chinesen im Bergbauwesen des Kongo ins Gespräch zu kommen; man habe schlechte Erfahrungen mit westlichen Medien gemacht, heißt es. Von Kongolesen gibt sie die Einschätzung wieder, es sei eine große Erleichterung, mit Chinesen zusammenzuarbeiten; bei den Westlern mit all ihrer Bürokratie stoße man ständig nur auf Mauern. Die allseitige Überforderung der Vorstellungskraft bringt besonders hintergründig die Videoinstallation „GZ Calling“ von Sam Hopkins und David Lalé auf den Punkt: Der afrikanisch-chinesische Warenumschlag im Hafen und auf den Märkten von Guangzhou wird da aus der Schlüssellochperspektive eines an der Undurchdringlichkeit seines reizüberfluteten Sujets verzweifelnden Privatdetektivs beobachtet: „Classic case of first world guilt“, stammelt er zuletzt. Sein Vorgesetzter beschwört ihn: „Please keep stay focussed on the big picture!“