Chaos Communication Congress : Der Journalismus, den Greenwald meint
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Gestalter eines Mediensystems im Wandel? Der Journalist Glenn Greenwald hatte auch eine Botschaft für seine Kollegen Bild: screenshot
Welche Folgen hat die Späh-Affäre für den Journalismus unserer Zeit? Glenn Greenwald stellte in Hamburg die richtigen Fragen, blieb eine Antwort jedoch schuldig.
Glenn Greenwald war nicht persönlich da, als er am Freitagabend vor beinahe 5000 Teilnehmern des 30. Chaos Communication Congress aus Brasilien zugeschaltet in Hamburg redete. Aber er hat eine Debatte mitgebracht, die auf die eine oder andere Weise bereits in angelsächsischen Medien geführt wird. Darauf kam er selbst schon in seiner Rede zu sprechen. Manche Journalistenkollegen, die ihn interviewten, weil er als Snowden-Vertrauter selbst zur interessanten Person in der Spähaffäre wurde, sprachen ihn an, wenn die Kameras aus waren. „Ist das wirklich wahr, dass Sie gerade einen General der öffentlichen Lüge bezichtigten?“
Laut Greenwald sei das im angelsächsischen Journalismus nämlich nicht nur unüblich, sondern geradezu unredlich. Männer mit Abzeichen auf der Brust werden nicht kritisiert, selbst wenn man wisse, dass sie lügen, kritisierte Greenwald seine Kollegen. Mit dem in dieser Behauptung steckenden Aufbegehren dagegen, als Journalist „loyaler Diener“ der Mächtigen zu sein, rückt sich Greenwald allerdings in die Nähe derer, über die und mit Hilfe derer er in den vergangenen Monaten über die Geheimdienste berichtete.
Zwischen Objektivität und Aktionismus
Darf ein Journalist die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus überschreiten, fragte an Greenwalds Rede anschließend Zeit-Online. Greenwald sei „ein Mann, der sein Feindbild gefunden“ habe. Wo liege die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus, fragte Greenwald auf Twitter zurück. Solle man „lieber vortäuschen, keine Sicht auf die Dinge zu haben?“
Die Zeit-Online-Autoren stellten anschließend fest, dass kein Journalist neutral sei, worauf hin Greenwald nachfragte, ob das nicht bedeuten würde, dass jeder Journalist zum Aktivisten werde.
Diese Debatte ist nicht neu. Über das Konzept Objektivität lernen Journalisten in ihrer Ausbildung. Auch über ihre Grenzen. In diesem Fall, das zeigt die angelsächsische Rezeption der Spähaffäre, ist der Fall aber einfacher. Greenwald, das sagen auch die Zeit-Online-Autoren, die die Debatte hierzulande aufgeworfen haben, arbeitet als Journalist „beschreibend, sachlich und gründlich“.
In Debatten vor Kamera allerdings tritt er nur hierzulande ungewöhnlich aktivistisch auf. Diese Auftritte ließen sich ebenso als Gespräche auf Augenhöhe beschreiben. Bemerkenswert ist, dass nicht nur die amerikanischen Medien dadurch aufgefallen sind, durchweg mit deutlich erkennbaren Haltungen zu berichten, sondern dass gerade BBC-Journalisten mit ihren Fragen an Greenwald unrühmliche Berühmtheit in Internet erlangten.
Die eigentlichen Fragen, die auch diesmal ausgespart werden, sollten sich dagegen an Greenwald und sein neues Journalismus-Projekt „First Look Media“ richten. Denn die „notwendige Neuerfindung des Journalismus“, von der Greenwald sprach, nimmt dort bereits Konturen an, über die Greenwald nicht sprach. Auch über die vergangenen Monate beim „Guardian“, die für die Veröffentlichung der NSA-Dokumente maßgeblich war, verlor Greenwald kein Wort, obwohl diese Zusammenarbeit vergleichsweise ungewöhnlich war und für eine erste historische Aufarbeitung der Spähaffäre interessant wäre.