Carl Friedrich von Weizsäcker : Synthesen eines Jahrhundertmannes
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Schreckte auch vor kontroversen Fragen nicht zurück: Carl Friedrich von Weizsäcker Bild: dpa
Carl Friedrich von Weizsäcker war Philosoph unter Physikern und Physiker unter Philosophen. Viele bezeichneten ihn als den letzten universal gebildeten Gelehrten im deutschen Sprachraum. Ein Nachruf von Manfred Lindinger.
Ein Philosoph unter Physikern, ein Physiker unter Philosophen - Carl Friedrich von Weizsäcker war die Wissenschaft ebenso vertraut wie die Politik, die Kunst, die Metaphysik, die christliche Heilslehre und die fernöstlichen Lebensweisheiten. Ihm war es vergönnt, mit den Pionieren der Quantenphysik zusammenzutreffen und zum Erfolg der neuen Lehre beizutragen.
Man hat ihn als den letzten universal gebildeten Gelehrten im deutschen Sprachraum bezeichnet. Tatsächlich könnte sein Werk viele Leben füllen. Als er zwölf Jahre alt war, verzauberte ihn der Anblick des gestirnten Himmels. Hier fühlte er die Gegenwart Gottes und wusste doch zugleich, dass es sich bei den funkelnden Objekten um Gaskugeln aus Atomen handelt, die den Gesetzen der Physik gehorchen.
„Blond, eher schüchtern wirkend, hochintelligent“
Dass sich Weizsäcker, der am 28. Juni 1912 in Kiel, in einer geistig illustren Familie, als Sohn Ernst von Weizsäckers geboren wurde - dieser war seit 1938 Staatssekretär der Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop, sein Onkel Viktor von Weizsäcker ein bedeutender Arzt, der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist der Bruder von Carl Friedrich -, zunächst für das Studium der Physik und nicht für das der Philosophie entschied, hatte Werner Heisenberg bewirkt. Dieser hatte den „blonden, eher schüchtern wirkenden, hochintelligenten Mann“ in Kopenhagen kennengelernt, als er am Institut von Niels Bohr erstmals seine Unbestimmtheitsprinzip der Quantentheorie vorstellte. Heisenberg riet ihm, zunächst theoretische Physik zu erlernen.
Und bald studierte Weizsäcker in Leipzig bei Heisenberg. Es war die Kernphysik, der er sich neben seiner astronomischen Leidenschaft widmete. Die nach ihm benannte Massenformel zur Berechnung des Energieinhalts von Atomkernen muss noch heute jeder Physikstudent lernen. Weltweite Anerkennung verschafften ihm 1938 seine Arbeiten auf dem Gebiet der Kernfusion und der Energieerzeugung in der Sonne. Weizsäcker (und unabhängig von ihm der 2005 verstorbene Hans Bethe) hatten 1938 herausgefunden, dass die Sonne ihre Energie aus der Verschmelzung von Wasserstoff- zu Heliumkernen bezieht.
Kontroverse Debatte über Mitwirken an Uranprojekt
Dieser Erfolg führte Weizsäcker mit Otto Hahn zusammen, der in Dahlem mit Fritz Strassmann und Lise Meitner an Urankernen experimentierte und 1939 die Kernspaltung entdeckte. Weizsäcker erkannte die Tragweite von Hahns Entdeckung: Da die Kernspaltung große Mengen an Energie freizusetzen vermag, lässt sie sich zum Bau einer Waffe mit unvorstellbarer Vernichtungskraft nutzen. Dass Weizsäcker, trotz seiner Distanz zum Regime, am deutschen Uranprojekt mitarbeitete, wird bis heute kontrovers debattiert.
Weizsäcker selbst hatte sich mit seiner Beteiligung am Uranverein - bei dem es, wie er erklärte, nicht primär um den Bau einer Bombe, sondern einen Reaktor ging - immer wieder auseinandergesetzt. Den Konformismus betrachtete er zeitlebens als seinen größten Fehler. Als Gnade empfand er, dass sich die Machthaber vom Bombenbau aufgrund des hohen zeitlichen und technischen Aufwands, den Heisenberg immer wieder hervorhob, schließlich abbringen ließen.
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