Zum Tode des Theatermachers Klaus Schultz : Stille Triumphe der Vielfalt
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Klaus Schultz 1947 - 2014 Bild: Getty Images
Vom Diplombibliothekar schaffte es Klaus Schultz bis an die Spitze des Münchner Gärtnerplatztheaters. Am Samstag ist der ungewöhnliche, vielseitige und inspirierende Theatermann im Alter von 66 Jahren gestorben.
Er war ein Beweger, ein Anreger, ein Talent auf vielen Gebieten zwischen Musik, Literatur, Theater. Klaus Schultz hatte eine intellektuell-künstlerische Biographie, die in ihren Windungen und Wendungen ganz unüblich war für seine Generation. Wer es vom Diplombibliothekar zum Intendanten dreier großer Theater schafft, in Aachen, in Mannheim und am Gärtnerplatztheater in München, der muss sich durch besondere Gaben auszeichnen. Das Wort von einem Menschen, der auf vielen Hochzeiten tanzt, hat meist einen despektierlichen Nebensinn. Schultz jedoch tanzte nicht nur auf manchen Hochzeiten, er machte die Musik dazu, er inszenierte solche Ereignisse und er begleitete sie auch noch intellektuell – ohne je seine Universitätsstudien zu dem zu bringen, was man einen „ordentlichen Abschluß“ nennt.
In Kissingen geboren, begann Schultz Anfang der siebziger Jahre als Opernchefdramaturg bei Christoph von Dohnányi in Frankfurt (über den er noch vor wenigen Jahren eine Künstlerbiographie in Gesprächen veröffentlichte). Danach arbeitete er in gleicher Funktion an der Bayerischen Staatsoper mit August Everding zusammen, zusätzlich auch noch für einige Zeit als Musikdramaturg der Berliner Philharmoniker. 1984 war die Zeit reif für den Weg an die Spitze der genannten Theater. Über zwanzig Jahre wirkte er als Intendant: kein Patriarch, geschweige denn ein Oligarch, ein primus inter pares, der nicht als Gewerkschaftsführer, Impresario und Kantinenprinzipal in einer Person auftreten wollte, sondern mit der subtileren Kraft der verbindlichen Menschlichkeit wirkte.
Seine gewaltige Bildung (er arbeitete an der Gesamtausgabe der Schriften des verehrten Adorno mit, dort speziell für die Musikalischen Schriften zuständig) trug er nicht vor sich her. Lieber tat er das mit feingesponnenem Humor; nicht zufällig war er mit Heinz Rühmann und Loriot eng befreundet, die er auch immer wieder mit Bühnenprojekten locken konnte. Wer Loriots Film „Ödipussi“ gesehen hat, muss und wird sich an Herrn Weber erinnern, dessen nervtötende Bescheidenheit so nur von Klaus Schultz subtil karikierend dargestellt werden konnte, für den Loriot diese Gestalt erfunden hat. Und wer mal in den Genuss seiner Imitationen und Parodien berühmter Zeitgenossen kam, die immer über die sprachklangliche Nuance liefen, nicht über Ticks und Äußerlichkeiten, der konnte diese Gabe nur bewundern.
Seine letzte Intendanz am Gärtnerplatztheater zeichnete sich besonders durch die Wichtigkeit aus, die er der Musik des zwanzigsten Jahrhunderts beimaß. Arvet Terterians „Das Beben“ als Uraufführung, Luigi Nonos „Intolleranza 1960“ als Münchner Erstaufführung – dies waren ersichtlich gewordene Taten des Musiktheaters, die an einem Theater dieses Zuschnitts nicht leicht durchzusetzen waren. Dass er dies erreichte, gehörte zu den großen Triumphen von Klaus Schultz; es waren stille Triumphe, wie bei ihm nicht anders denkbar. Nach seinem Abschied vom Theater engagierte er sich in mehreren Kuratorien und Stiftungen, rezensierte Bücher. Von 2002 bis 2008 wirkte er auf Wunsch Wolfgang Wagners und des Stiftungsrates beratend mit beim Management der Bayreuther Festspiele.
Noch Ende März dieses Jahres saß er in München allein auf der Bühne und las als Einmann-Theatertruppe Auszüge aus den „Letzten Tagen der Menschheit“ von Karl Kraus (wie es dieser selbst getan hatte), virtuos die enorme Spannweite dieser Monstertragödie realisierend. Nur wenige konnten voraussehen, dass seine schon länger fragile Gesundheit sich danach rapide verschlechtern würde. Am Samstag starb Klaus Schultz in München. Er wurde sechsundsechzig Jahr alt.