Nachruf auf Juro Mětšk : In selbstbewusster Stille
- -Aktualisiert am
Juro Mětšk, 1954 bis 2022 Bild: Privat
Um politische Korrektheit und ästhetische Moden hat sich der Komponist Juro Mětšk nie geschert. Er führte schon in der DDR das Erbe Weberns und Schönbergs weiter und engagierte sich bis zuletzt für sein Volk der Sorben.
Die Kunst ernst, aber sich selbst dabei nicht zu wichtig zu nehmen – solches Understatement hatte und hat es im Kunstbetrieb von jeher besonders schwer. Der 1954 geborene sorbische Komponist Juro Mětšk lebte, nach einigen Wanderjahren in seine Heimatstadt Bautzen zurückgekehrt, dort ohne Computer oder Smartphone in gelassener Stille, unangefochten von allen gerade angesagten Moden. Zur Selbstvermarktung war er maximal untalentiert oder vielleicht auch nur uninteressiert daran, weil er seine Zeit für Wesentlicheres brauchte: aus dem Mikrokosmos klanglicher eine Essenz kommunikativer Vorgänge zu filtern – Monologe und Gespräche, haarige Dispute oder skeptische Annäherungen, in äußerster Konzentration auf den Punkt gebracht.
Man hört aus diesen Interaktionen – eher in kammermusikalischen als monumentalen Formaten, mit oft ungewöhnlichen Instrumentenkombinationen, nie müßig ausschweifend, immer fett- und pathosfrei – einen wachen und offenen Geist, der beobachtet und analysiert, aber nicht urteilt. Plakative Correctness oder Anpassung in irgendeine Richtung lag für ihn außerhalb künstlerischer Kategorien; das galt für seine Zeit in der DDR ebenso wie danach und machte sein Verhältnis zu den Hütern der jeweils aktuellen gesellschaftspolitischen und ästhetischen Weisheiten stets spannend bis anstrengend. Statt dessen liebte er schon in Werktiteln wie „Alla breve…?“, „Senza…“ oder „Incognito“ eine – bisweilen wohl leise ironische – Verrätselung, die aber nicht vom hohen Ross herab dozierte, sondern, wie die Klänge selbst, Freiräume öffnete: streng organisiert, aber in dieser Strenge ebenso gelöst, undogmatisch und offen wie das Spiel eines unbeobachteten Kindes. Mětšks Stücke sind klingende Dramolette für ein weites Feld lyrischer, sarkastischer oder melancholischer Assoziationen – und immer gerade kurz oder lang genug, um maximale Konzentration zu fördern, sie aber nicht überzustrapazieren.
Gesellig, mit feinem Humor und ohne Aufheben praktizierte er seine Kunst einer knappen, gestisch pointierten Klangformung, die die Prinzipien der Zweiten Wiener Schule mit geistvoller Kreativität interpretierte. Dabei zog es ihn nie in kühle kosmopolitische Weiten; sein Engagement für die sorbischen Angelegenheiten, die Verwurzelung in der zweisprachigen Oberlausitz standen außer Frage und bereicherten auch ohne äußerliche Demonstrationen das geistige Leben seines sorbischen wie deutschen Umfeldes. Das ist nun, zu früh, zu Ende gegangen: am Donnerstag vergangener Woche ist Juro Mětšk im Alter von nur 67 Jahren gestorben.