Zum Tod von Maximilian Schell : Der ewige Gentlemanbub’
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Maximilian Schell 1930 - 2014 Bild: Röth, Frank
Maximilian Schell war einer der wenigen deutschsprachigen Schauspieler, die es zu Weltruhm und zu einem „Oscar“ brachten. Auch Hollywood griff gern nach der Eleganz und dem sonor-arroganten Witz des Wieners, der auf deutschen Bühnen seinen juvenilen Gebrochenheitscharme spazieren führte.
Zuletzt sah man im Fernsehen in schönen Sendungen auf Kulturkanälen, wie er die Welt und ihre Geschichte und ihre Katastrophen erklärte: ein milder, bärtiger Weiser, voller guter Ansichten und solidem Wissen, das er angesichts des Zustands der Welt mit resigniert soigniertem Charme servierte. Ein Meister voller plaudernder Zurückhaltung.
Dabei betrat der Sohn des Wiener Schriftstellers Hermann Ferdinand Schell (und Bruder der weiland Seelchen-Schauspielerin Maria Schell) die Bühne als alert stürmischer Jungspund, der noch 1968 als Achtunddreißigjähriger im Verein mit Elisabeth Flickenschildt und Hubert von Meyerinck im Münchner Deutschen Theater den Hamlet (in eigener Regie) als pubertär glänzenden Springinsfeld gab, der sein „Sein oder Nichtsein“ ins ergriffene Zuschauerrund von einer ins Auditorium hineinführenden Rampe hervorstieß wie eine atemlos aggressive Arie.
Aus dem Gewächshaus von Gründgens
Da die Familie Schell 1938 in die Schweiz emigrierte und der junge studierte Germanist, Philosoph und Kunstgeschichtler Maximilian seine ersten dramaturgischen wie mimischen Sporen in Basel verdiente, wehte er ins westdeutsche Nachkriegstheater wie als ein frischer und erfrischender Fremdling herein. Ein blendend ausschauender, eleganter Gentleman-Bub‘, der von Essen über Lübeck und München bis hin nach Berlin mit den schwierigen, gebrochenen, aber dennoch dramatisch glanzvoll ausgestatteten jungen Männern brillierte: mit dem Kleists Prinz von Homburg, Büchners, Schillers Don Carlos, aber auch als schwuler Gaveston in Brechts/Marlows „Leben Eduards II. von England“.
Gründgens sah ihn als schwärmerisch egoistischen Prinzen in Hofmannsthals „Turm“ 1959 bei den Salzburger Festspielen und engagierte ihn als seinen kommenden jeune premier ans Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, wo er ein berühmter Hamlet wurde. Der junge Maximilian Schell beherrschte perfekt die von Gründgens hochgeschätzte Kunst, die in seinem Gewächshaus an der Hamburger Kirchenallee denn auch virtuos gedieh: nämlich alle Tiefe an der Oberfläche zu verstecken.
Die Nase nach draußen
Noch der Mitt- und Endzwanziger Schell streckte seine Mimennase auch gleich über den deutschen Tellerrand. Im Londoner Royal Court Theatre brillierte er als Oberst Redl in der Uraufführung von John Osbornes „A Patriot for Me“ (und gastierte damit auch in New York).
Den Londonern servierte der gebürtige Wiener 1977 auch den ersten Horváth auf Englisch mit den „Tales from the Vienna Wood“ (Geschichten aus dem Wiener Wald). Und während der so souveräne wie auch gern eitle, seine Oberflächen immer mit höchstem Tiefenglanz polierende Bühnen-Solist in Deutschland oder auch in Russland (in Moskau mit Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“) oder später dann als eleganter Jedermann in Salzburg (von 1978 bis 1982) sich ins Rampenlicht setzte, aber auch dort auf internationales Flair achtete, wenn er im Burgtheater mit Sir Peter Hall als Regisseur (in Pinters „Alten Zeiten“) oder im Renaissance-Theater in Berlin mit Pavel Kohout am Regiepult arbeitete – hatte längst Hollywood nach dem polyglotten, das Englisch mit einem leicht gutturalen österreichisch-schweizerischen Untertonschlenker sprechenden jungen Star gegriffen. Er war einer der wenigen deutschsprachigen Schauspieler, die es zu Weltruhm brachten. In dieser ganz eigenen (Film-)Klasse nur noch zu vergleichen mit Curd Jürgens und Klaus Maria Brandauer.
Der internationale Ruhm
Zusammen mit Marlene Dietrich und Spencer Tracy spielte er im „Urteil von Nürnberg“ 1961 die Filmrolle eines Verteidigers der Nazi-Schergen und gewann damit einen „Oscar“. Er drehte mit Vittorio de Sica („Die Eingeschlossenen“ nach Sartre), mit Sidney Lumet („Anruf für einen Toten“), mit Sam Peckinpah („Steiner – Das eiserne Kreuz), mit Richard Attenborough („Die Brücke von Arnheim“). Und war in „Topkapi“ im Verein mit Melina Mercouri und Peter Ustinow ein Gentleman-Verbrecher und Einbruch-Stratege voller Witz, Coolness und Eleganz. Überhaupt war Maximilian Schell schon cool, als dieses Wort nicht einmal den Anglisten ein Begriff für Charaktereigenschaften war. Er konnte aber auch Gefühlen ihren Lauf lassen: Seiner Filmpartnerin und Freundin Marlene Dietrich widmete er 1984 eine sehr einfühlsame, liebevolle Filmdokumentation. Unvergessen, wie er der Toten, die sich in Berlin beerdigen lassen wollte, dort ein leises „Willkommen zu Hause, Marlene!“ am Grabe nachrief. Jetzt ist Maximilian Schell im Alter von dreiundachtzig Jahren in Innsbruck gestorben.