Yasmina Reza in München : The Importance of Being Céline
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Vincent zur Linden als Sohn in Yasmina Rezas „James Brown trug Lockenwickler“ Bild: Sandra Then
Yasmina Reza ist ein Liebling des deutschen Theaterpublikums. Jetzt spendiert sie dem Residenztheater ihr neues Stück „James Brown trug Lockenwickler“.
Manchmal muss man einfach Glück haben. Wegen einer kurzfristigen Absage hatte Staatsschauspielintendant Andreas Beck die Eingebung, das neue Stück von Yasmina Reza und den Regisseur Philipp Stölzl zusammenzuspannen, der bei seiner ersten Regiearbeit am Residenztheater Matthew Lopez’ „Das Vermächtnis“ inszeniert hatte. Übersetzt von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel wurde „James Brown trug Lockenwickler“ nun in München uraufgeführt – in Anwesenheit der Autorin, die zu den meistgespielten Dramatikerinnen der Welt zählt und im deutschsprachigen Raum ganz besondere Verehrung genießt. Ihr Roman „Serge“ ist derzeit in Düsseldorf und Wien in Bühnenfassungen zu sehen, ein Reza-Stück ist nie weit weg.
Die dreiundsechzigjährige Pariser Autorin hat sich bei sich selbst bedient, indem sie die Figur des Jacob Hutner fortschreibt, der in ihrem Roman „Glücklich die Glücklichen“ (2014) auftaucht. Jacob hält sich für die kanadische Sängerin Céline Dion, ist in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht und bereitet dort seine Welttournee „Road to the South“ vor. Einen ungestümen Freund hat Céline, verkörpert von Vincent zur Linden, in der Klinik auch gefunden. Der blonde Weiße namens Philippe (Johannes Nussbaum) hält sich für einen Schwarzen. Verbindet die beiden Männer mehr als eine fragile Freundschaft? Einmal umarmen sie sich lang und innig, vereint auf dem Weg, selbst zu entscheiden, wer sie sein wollen.
Bei Magritte entliehene Requisite
Die Eltern kommen zu Besuch, Lionel und Pascaline Hutner, die Céline bei ihren Vornamen nennt. Juliane Köhler und Michael Goldberg sind ganz bürgerliches Arrangement, einzig die undurchschaubar motzige Psychiaterin (Lisa Wagner) bleibt namenlos. Fünf Personen suchen eine Route durch Identitäts- und Geschlechterfragen, alles entschieden heutig, aber gepackt in die sanfte Watte einer beiläufigen, die Themen bloß antippenden Komödie. „Eine Klinik und deren Park (kein Realismus)“, soweit die dürre Regieanweisung.
Philipp Stölzl, der auch sein eigener Bühnenbildner ist, inszeniert mit sparsamer Ausstattung, auf der Drehbühne steht ein selbstspielendes Klavier. Links oben ragt eine riesige Forelle bis zur Brustflosse aus dem roten Vorhang, das Hinterteil des Fisches verschwindet rechts im grünen Vorhang. Außer, dass am Ende Bühnennebel aus dem Fischmaul quillt, hat diese bei Magritte entliehene Requisite keine Funktion, es sei denn, sie gäbe einen Hinweis auf das Personal, das sich zu ihren Füßen abstrampelt und ebenfalls nicht in seinem Element ist?
Philippe schaukelt in schwarzem Anzug mit kurzen Hosenbeinen, weißem Hemd und schwarzweißen Lederschuhen im Park, Céline tritt als Diva im knallroten Trainingsanzug auf, mit meterlangem blauem Schal und Sonnenbrille. Leises Vogelgezwitscher. Vincent zur Linden spielt Céline bezwingend weiblich, nur gelegentlich ironisiert er die Figur. Ein einziger Lockenwickler kommt zum Einsatz. Ins weltentrückte Idyll grätschen die Eltern, sie streiten, weil Lionel bei der Anfahrt eine Schleicherin mit der Hupe vor sich herzutreiben versuchte. Das Verkehrshindernis entpuppt sich als die Psychiaterin der Klinik. Sie fahre immer so – „Bremsen heißt kapitulieren“, die Strecke Paris-Sanremo habe sie ohne zu bremsen bewältigt. Wenn sie spricht, wirkt sie, als sei sie neben der Spur, ihr Körper zuckt und windet sich, die Schultern kreisen. Ihre Patienten, das lässt sie die Eltern vorsorglich wissen, ließen sich eben nicht „von der Biologie einschüchtern“.