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Neue CDs mit Weihnachtsmusik : Wovon sogar der Selbstoptimierer träumt

  • -Aktualisiert am

Barthel Bruyn der Ältere (1493 bis 1555): Geburt Christi, 1516 Bild: Städel Museum/ARTOTHEK

Von Xavier de Maistre auf der Harfe bis zu Matthias Höfs an der Trompete hat der Markt viel Weihnachtsmusik zu bieten. Am schönsten bleibt die Schlichtheit der Chorsätze von Michael Praetorius und den Herrnhuter Brüdern.

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          Weil Weihnachten seinem Wesen nach ein Gemeinschaftsfest ist, hat es immer etwas zart Verstimmtes, wenn einen dafür nur ein Einzelner anspielt – und sei es selbst eine solche Kapazität wie der Harfenist Xavier de Maistre („Christmas Harp“, Sony). Zwar erfüllt der Klang seines Instruments im Orchester tatsächlich oft die Lametta-Funktion blitzend perlender, im Wechsellicht funkelnder Klangspitzen – aber eine Packung Lametta ganz ohne Stamm und Zweige darunter ist schon wieder eine andere Sache, auch wenn sie hier zu fein ausgekämmten, wohlgefällig ornamentalen Mustern geordnet wird.

          Die sanfte Autosuggestion erwärmenden Gruppengefühls kann sich dabei schon deswegen kaum einstellen, weil der Franzose einen so seltsamen Mix von verschiedenen Folklore-Adaptionen von „Jingle Bells“ bis zu Tschaikowskys „Nussknacker“ präsentiert, dass der artifizielle Ausstellungscharakter des Ganzen nie infrage steht: weniger andächtige Meditation als virtuose Präsentation, die etwas von einem klingenden Werbekatalog hat. Wobei der Interpret am ehesten noch dort bei sich ist und zu uns kommt, wo sein Ausgangsmaterial, wie in Carlos Salzedos Volkslied- und Hymnen-Paraphrasen, schlicht bleibt – und weniger in den opulenten Orchester-Adaptionen mit ihren raffinierten Klangeffekten. Deren Ausstrahlung gleicht ein wenig den Heiligenreliquien in katholischen Barockaltären: verehrungswürdig und in prächtige, wenn auch leicht angestaubte Stoffe gehüllt, mit Glasperlen besetzt, aber trotzdem tot – und wohl nur noch selten wunderwirkend.

          Homogener und überzeugender ist da der Dresdner Kammerchor unter Hans-Christoph Rademann, wenn er seine Advents- und Weihnachtssätze aus dem reichen Erbe eines einzigen Komponisten wählt: des im protestantischen Mitteldeutschland wirkenden Renaissancemeisters Michael Praetorius. „Es ist ein Ros“, die Eingangsworte seines bekanntesten Chorsatzes, geben der CD ihren Titel und ihrem Cover eine diskrete, fast abstrakte grafische Gestaltung (Accentus Music). Um das zentral gestellte Mysterienlied herum fügen sich weitere innige oder fröhlich tänzerische Sätze – teils deutsch, teils lateinisch und manchmal auch zweisprachig innerhalb eines Stücks – zu einem sanft strahlenden Reigen der Erwartungs- und Ankunftsfreude. Einander nah verwandt, doch nicht monoton und mit dem Potential für milde Rauschzustände sind das Klänge, deren mildem Leuchten nicht nur Atemholen und Sich-Besinnen, sondern auch Kerzenschein und leuchtende Augen einkomponiert scheinen: Bilderbuchweihnachten, wie sie sich womöglich sogar der moderne Selbstoptimierer heimlich erträumt.

          Möglich wird das durch die feingestufte, nie aufdringliche Interpretationskunst Rademanns und seines Ensem­bles, die sich hier weniger von der deklamatorischen Prägnanz als vom Atmosphärischen her definiert: eine locker strömende Fülle des Wohllauts mit zarten Echoeffekten, organisch fließenden, perfekt aufeinander abgestimmten Solopassagen und einer diskret grundierenden Continuo-Begleitung, die manchmal – etwa im vierstimmigen Posaunenchor – auch polyphonen Eigenwert ge­winnen kann. Gleichermaßen informativ wie unterhaltsam ist der klug lenkende Einführungstext Oliver Geislers.

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