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„Tristan“ in Cottbus : Das singende, klingende Bäumchen

  • -Aktualisiert am

Sind ganz lieb: Isolde (Catherine Foster) und Tristan (Bryan Register) glühen füreinander. Bild: Marlies Kross

Dimitry Ivashchenko gelingt in Cottbus ein überragendes Debüt als König Marke. Ansonsten gerät Richards Wagners Oper „Tristan und Isolde“ hier so niedlich, dass man um kein Kind im Publikum fürchten muss.

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          Allzu oft wird es nicht vorkommen, dass man bei der zentralen Liebesszene in Richard Wagners „Tristan und Isolde“ zu schmunzeln beginnt. Doch der Inszenierung des Cottbuser Staatstheaters, ins Werk gesetzt vom Hausherrn Stephan Märki, gelingt das: wenn Isolde in den kurzen Minuten des Alleinseins vor dem Rendezvous, schwer nervös, verschiedene Willkommensposen ausprobiert, die Verliebten dann zunächst aneinander vor­beirennen und hernach die erste Welle leidenschaftlicher Exklamationen wie gelernten Schulstoff absingen, auf fünf Meter Distanz und lange, ohne sich näher zu kommen oder auch nur anzuschauen. Da wird das große Pathos gebrochen und die Hochspannung der Wagnerschen Klangwallungen kontrapunktiert – sowie nebenbei auch die Unsicherheit eines schon etwas älteren Paares mit geringen erotischen Erfahrungen vor dem womöglich ersten Mal offenbar.

          Das funktioniert als Lockerung und Akzentsetzung, wie denn dieser Abend überhaupt seine sympathischen Momente hat und auch einige feine Differenzierungen im Durchpflügen jener extremen suizidalen Leidenschaften, die der Komponist textlich und vor allem musikalisch vorgibt. So gleich eingangs, wenn Isolde neben aller Liebeszerwühltheit auch Töne aristokratischen Hochmuts und bitterer (Selbst-)Ironie artikuliert oder im Schlussakt, wenn Tristans mortale Fieberträume als Bilder einer nächtlichen, von Gegenlichtern zerhackten Stadtautobahn-Raserei erscheinen. Nur folgt nichts aus solchen Einzelakzenten; die Fallhöhe, die man erwartet, wenn auf der Bühne existenzielle Dinge verhandelt werden, kommt im Ganzen nicht zustande. Es geht weder in der Liebe noch im Tod je wirklich zur Sache, und so ist dieses komplett jugendfreie, gleichsam in sterilen Einweghandschuhen dargebotene Kammerspiel ohne Blut, Haut und Saft zwar ein – konservativ non-konformistischer – Gegenentwurf zu jener Drastik, die sonst oft die aktuelle Szene bestimmt, kann aber in seiner geradlinig durcherzählten Bravheit auch keinen überzeugenden Gegenentwurf dazu bieten.

          Kosmische Weite

          Der Mut, aus dem Mainstream auszubrechen, führt leider nur in eine Art Kindergarten-Biedermeier. Wenn die beiden einander Verfallenen am Ende keineswegs ihren Liebestod sterben, sondern in illuminierten Kostümen wie zwei Lichterbäume gen Sternenzelt entschwinden, ist das schlicht zu viel des Guten oder gut Gewollten. Die Kostüm-Leuchtstreifen und -Lämpchen erscheinen das erste Mal beim Leeren des Liebestranks und wirken schon da leicht komisch – man hätte die Emotionen der Titelfiguren doch lieber direkt gespielt als nur in solch symbolischen Comic-Icons gespiegelt gesehen. In Philipp Fürhofers bildnerische Gesamtkonzeption freilich fügen sich die Leuchtkleider gut. Mit prangenden Nachthimmeln, Glutwolken, Sternschnuppen- und Feuerwerks-Garben bettet er das Geschehen in atmosphärisch stimmungsvolle Räume, die die intime Handlungsszenerie ins Kosmische weiten; im Zusammengehen mit Hannah Barbara Bachmann (Kostüm), Bahadir Hamdemir (Video) und Diego Leetz (Licht) entstehen erinnerungsträchtige Tableaus.

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