Vergiss das Metronom
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Daniel Barenboim in der Berliner Staatsoper Bild: AFP
Die Entscheidung über das Tempo zählt zu den wichtigsten, die ein Musiker treffen muss: Mein ganzes Leben lang ringe ich mit Beethovens Klaviersonaten.
Als ich 1988 zum ersten Mal in Bayreuth den „Ring“ dirigierte, bekam ich ein wunderbares Geschenk – das war der Besuch von Pierre Boulez. Er wohnte bei mir zu Hause, und jeden Abend nach der Vorstellung die Möglichkeit zu haben, mit ihm, der diese Werke in- und auswendig kannte, darüber zu diskutieren, war etwas Einmaliges. Er erinnerte sich damals an seine ersten Bayreuther „Ring“-Aufführungen zwölf Jahre zuvor und erklärte mir, dass er musikalisch einen völlig anderen Weg gegangen war als ich.
„Als Komponist war ich interessiert am Skelett des Rings“, sagte er, „und ich habe den Eindruck, Sie sind eher interessiert am Blut und an den Muskeln. Mir ging es vor allem um das Strukturelle, Sie wollen das ausdrücken, was beweglich ist. Deshalb waren meine Tempi schneller. Aber ich bin sicher, mit der Erfahrung werden auch Sie das Skelett besser kennenlernen.“ Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt, vor allem aber fand ich es hochinteressant, was Boulez sagte. Und ich glaube, dass ich mit den Klaviersonaten von Beethoven einen ähnlichen Prozess erlebt habe.
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