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Paartanz: Martin Niedermair als Olivia mit Claudius von Stolzmann als Orsino Bild: Moritz Schell

„Was ihr wollt“ in Wien : Hoppla, das sind Zwillinge!

  • -Aktualisiert am

Im Regen klärt sich alles auf: Torsten Fischer und Herbert Schäfer zeigen in den Kammerspielen in der Josefstadt eine brillante Neubearbeitung von Shakespeares „Was ihr wollt“.

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          Wenn man sich schon öfter gefragt hat, weswegen ein an sich gar nicht so fröhliches Lied wie das Schlusslied „Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag“ (im Original „For the rain it raineth every day“) „Was ihr wollt“ beendet, diese vielleicht bitterböseste Komödie von Shakespeare, so wird man in der aktuellen Inszenierung in Wiens Kammerspielen in der Josefstadt auch nicht viel schlauer. Immerhin, Maria Bill als der traurige Clown singt davor noch diverse Lieder, zumeist im Tango-Rhythmus, zumeist auf Italienisch oder Spanisch. Im Programmheft zur Vorstellung sind die deutschen Fassungen aber ohnehin alle abgedruckt. Freilich nicht zum Mitsingen ge­dacht! Zumindest am Premierenabend hat das niemand gewagt.

          Der Regisseur Torsten Fischer und der Dramaturg Herbert Schäfer (Letzterer war gemeinsam mit Vasilis Triantafillopoulos auch für Bühne und Kostüme verantwortlich) haben sich gleich selbst einer Neubearbeitung des Shakes­pearetextes an­genommen und eine doch recht spannende Version auf die eher kleine Bühne ge­bracht. Das Grund­gerüst bleibt freilich erhalten.

          Die Zwillingsgeschwister Viola und Sebastian werden bei einem Schiffbruch vor der Küste des sagenumwobenen Illyrien getrennt, an Land gespült, von unterschiedlichen Personen gerettet, und gleich in mehr oder minder gefinkelte Liebesintrigen verwickelt, ohne voneinander zu wissen. Orsino, der Herzog Illyriens, hat ein Auge auf Gräfin Olivia geworfen, die aber nach schweren, familiären Verlusten nichts von Heiratsanträgen wissen will. Als Viola, nun „Cesario“ genannt, da sie sich als Mann in fremden Landen sicherer fühlt, Orsinos Botschaft an Olivia überbringen will, verliebt sich diese in sie. Gleichzeitig treiben der Gräfin Onkel Sir Toby, dessen Saufkumpan Sir Andrew und ihr Dienstmädchen Maria üble Späße mit Malvolio, ihrem ehrgeizigen, nun ja, in dieser Version wohl: Butler. Man weiß ja, wie das alles endet – am übelsten geht es für Malvolio und den Clown aus.

          Nur eine einzige Frau ist mit an Bord

          Spielt schon das um 1601 geschriebene (eine erste Aufführung ist für Anfang 1602 in den Tagebüchern des englischen Juristen John Manningham vermerkt) Original „Twelfe Night, Or: What you will“ auf erstaunlich freche Weise mit Geschlechterrollen und Standesklischees, bauen Fischer und Schäfer dies in den Kammerspielen noch weiter aus. Bekanntlich durften damals ja keine Schauspielerinnen die prominenteren Bühnen betreten, also spielten Männer Frauenrollen. Was im konkreten Falle bei Viola zusätzlich für Unterhaltung sorgen mochte.

          Hier nun ist als einzige Frau Maria Bill, aber eben in der Narrenrolle, mit an Bord. Alle anderen Charaktere, ob weiblich oder männlich, werden von Männern dargestellt. Claudius von Stolzmann etwa gibt, meist mit entblößtem Oberkörper, den Herzog Orsino, der sich aber durchaus von „Cesario“, also Viola, die wiederum von Julian Valerio Rehrl verkörpert wird, angezogen fühlt. Ähnlich ist die Lage im Hause Olivia – Martin Niedermair verfällt als Gräfin gleichfalls „Cesario“, und sie wird gegen Ende mit Sebastian (klarerweise dargestellt von Julian Valerio Rehrl) verheiratet. Das alles funktioniert ziemlich gut und, besonders erfreulich, zwar höchst unterhaltsam, ja, bisweilen zum Brüllen komisch, aber nie, indem sich über die verwirrten Geschlechterrollen lustig gemacht würde.

          Goldrichtig

          Und dann sind da noch die Trunkenbolde! In der Fischer-Schäfer-Bearbeitung leeren sie unzählige Gläser, ja, ganze Flaschen Whiskey und beschimpfen einander und alle anderen derb – ausfällig wurden sie zwar schon bei Shake­s­peare, aber noch nicht ganz so arg. Verbündet mit dem Hausmädchen Maria, der Alexander Strömer tief in den Knochen steckt, ob nun beim Staubsaugen oder beim Malvolio-Verscheißern, sind Robert Joseph Bartl als Sir Toby Belch und Matthias Franz Stein als Sir Andrew Aguecheek einige der besten Auftritte des Abends zugeschrieben worden. Eventuell zugespitzt auf das traditionell eher jenseits der fünfzig Lenze beheimatete Publikum der Kammerspiele treten sie als bis hin zu den Stimmen und den Melonenhüten extrem überzeugende Kopien von Laurel und Hardy auf. Bei einer jüngeren Zuseherschaft würde das möglicherweise zu Identifikationsschwierigkeiten führen, aber für diesen Spielort kann man der Regie nur zurufen: Goldrichtig!

          Zum genialen Höhepunkt wird dabei die Parodie einer zur Legende gewordenen Tanzeinlage des britisch-amerikanischen Komikerduos. Schon allein für diesen Einsatz darf man der Inszenierung viele ausverkaufte Abende wünschen. Das Premierenpublikum jedenfalls bedankte sich mit donnerndem, lang anhaltendem Applaus.

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