Bei Wahnvisionen bitte lächeln
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Höhenflüge in dunkler Nacht: Philipp Avdeev gelangt als inspirierter Künstler in kosmische Sphären. Bild: Ira Polyarnaya
Niedrige Sträucher leben länger: Kirill Serebrennikow, der überraschend nach Deutschland reisen konnte, hat am Thalia Theater den „Schwarzen Mönch“ nach Anton Tschechow herausgebracht.
Dem russischen Regisseur Kirill Serebrennikow wurde in Hamburg oft die Frage gestellt, wie es kam, dass er, obwohl seine Bewährungsstrafe noch nicht abgelaufen ist, dennoch plötzlich die Erlaubnis erhielt, zu den Endproben ans Thalia Theater zu kommen. Genau wisse er das nicht, sagte Serebrennikow, doch dass ihm „wunderbare Menschen“ geholfen hätten, die in dem absurden Gerichtsurteil wegen angeblicher Veruntreuung vor anderthalb Jahren über ihn verhängte Geldstrafe zu begleichen, das war wohl ein Faktor. Und dann hätten ihm andere Menschen bei der Beschaffung der Reisepapiere geholfen. Um das Vertrauen dieser Leute zu rechtfertigen, kehrte der Regisseur am Tag nach der Premiere seines Stücks „Der schwarze Mönch“ nach einer Novelle von Anton Tschechow umgehend nach Moskau zurück, um sich, gemäß den Auflagen, bei den Behörden zu melden.
Es dürfte mit der fehlenden Aussicht auf Rechtsstaatlichkeit in Russland zu tun haben, dass Serebrennikow das an ihm verübte Unrecht als Prüfung wahrnehmen und sich selbst nicht als Opfer sehen will. Das fände er unproduktiv. Wir sind erwachsene Leute, wir begreifen, was da geschah und warum, sagt er zu seinem Prozess. Seine Mobilitätsbeschränkung hat er maximal genutzt und per Zoom zuerst in Moskau, dann an europäischen Theatern große Produktionen inszeniert. Mit dem „Schwarzen Mönch“ erarbeitete der Russe einen hierzulande weithin unbekannten Text, der über die Träume von Freiheit und den Wahn der Inspiration eine sehr persönliche, auch von Kommunikationsnöten gezeichnete, spirituelle Krankengeschichte erzählt.
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